Sebastian Diezig
Pressezitat

 

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10.12.2012

Tipps für den Umgang mit Lampenfieber

Was muss man tun, um gute Musiker-Nerven zu haben? Schwierige Frage. Hier meine persönlichen Erfahrungen.

Gute Vorbereitung:

Einer meiner wichtigsten Lehrer hat mir mal gesagt: Wer behauptet, dass er Lampenfieber nicht kennt, lügt. Ich antwortete damals: Wenn ich gut vorbereitet bin, bin ich nicht nervös. Das stimmte für mich damals. Ich hatte jedoch damals noch nie ein Probespiel absolviert. Probespiele sind für mich persönlich der allergrösste Stress. Nach wie vor meine ich aber: Ohne eine minutiöse Vorbereitung wird man immer leichte Zweifel an den eigenen Fähigkeiten haben, was zur Folge hat, dass die Nervosität ausufert. Wenn man es daher ernst meint und den Ansprüchen, welche man an sich selber stellt, gerecht werden will (ein erfolgreiches Probespiel, ein Konzert auf höchstem Niveau), dann muss man im Vorfeld des Ereignisses alles tun, damit es am Tag X klappt. Das bedeutet, bereits Monate vorher jede freie Minute zu üben, jede Stelle so einzuüben, bis man sie im Schlaf zuverlässig sauber spielen kann und sich selber oft aufzunehmen, um die eigene Leistung abzuhören. Zusätzlich zahlt es sich immer aus, das Programm guten Kollegen vorzuspielen und ihre Vorschläge und Tipps einzuholen (es müssen nicht immer Cellisten sein).

Gute grundlegende Fitness auf dem Instrument:

Ein Cellist ist wie ein Athlet: Hört er auf zu trainieren, lässt er sofort nach. Will man also ein sehr guter Cellist sein, abonniert man sich selber auf lebenslanges, tägliches Üben - und ich spreche von Üben in bestmöglicher Qualität und in grösstmöglicher Quantität. Nur dann hat man die Selbstverständlichkeit auf dem Instrument, welche einen in musikalisch brenzligen Situationen retten kann.

Sein Instrument kennen:

Vermutlich sucht jeder Cellist sein ganzes Leben lang nach einem besseren Instrument. Aber gerade vor einem wichtigen Auftritt ist das beste Instrument das, welches man bereits spielt. Ich rate ab, kurzfristig vor einem Probespiel ein Instrument zu mieten, welches man nicht gut kennt. Mindestens drei Monate Einspielzeit braucht man, um ein Instrument gut zu kennen.

Ausdauersport treiben:

Dieser Tipp ist unkonventionell. Aber meine Frau staunt immer wieder ab meinem langsamen Ruhepuls und meint, dass es kein Wunder sei, dass ich gute Nerven hätte. Es stimmt, dass bei mir der Puls in Stresssituationen zwar schneller wird, jedoch nie rast und somit meine Feinmotorik nicht gestört wird. Auch schwitze ich nicht sehr stark. WIe ich das mache: Ich fahre sehr gerne Rennrad und fahre auch täglich mit dem Rad zur Arbeit.

Konzerte und Vorspiele zu einer Routine werden lassen:

Seit ich jeden Monat ein bis zwei solistische oder kammermusikalische Konzert-Auftritte habe und auch vor wirklich heiklen Solo-Programmen nicht zurückschrecke, ist mein Lampenfieber erträglich. Auch absolviere ich immer wieder mal ein Probespiel, um mich dem Stress dieser Situationen auszusetzen. Total kalt lässt es mich nie, aber es gibt wirklich einen Gewöhnungseffekt.

Betablocker und Co. vermeiden:

Ich würde auf die "Chemiekeule" verzichten. Nicht, dass es nicht Leute gäbe, denen das hilft. Aber ich finde es besser, mich mit meinem Lampenfieber auseinanderzusetzen und mich daran zu gewöhnen. Man darf nicht vergessen, das Auftritte mit ein bisschen Adrenalin viel interessanter sind und zusätzliche Energien freisetzen. Man muss lernen, diese Extra-Power in tolle Musik umzuwandeln.

Akzeptieren, dass man nervös sein wird:

Wenn ich ein wichtiges Vorspiel habe, dann weiss ich mittlerweile schon Monate im Voraus, dass es eine nervenaufreibende Sache werden wird. Das hat für mich nichts mit Pessimismus zu tun sondern mit Vorbereitung: Ich versuche, dieses Wissen in meine Präparation einfliessen zu lassen und alles noch solider einzuüben, damit ich mich im Notfall auf meine Automatismen verlassen kann.

Ausserdem lenke ich mich beim Üben ganz schwieriger Passagen hin und wieder gezielt ab, indem ich negative Gedanken einfliessen lasse wie: diese Stelle wird nicht klappen. Das ist eine nicht ganz ungefährliche Methode. Aber mir ist aufgefallen, dass ich in Stresssituationen bei heiklen Stellen genau mit diesen Gedanken kämpfe. Indem ich beim Üben die Stellen meistere, obschon ich meine Gedanken dazwischenfunken liess, entsteht eine grössere Zuversicht, dass es auch im Ernstfall klappen wird.

Die kritischen Stellen jederzeit aus dem Stegreif spielen können:

Ganz heikle Stellen sollte man jederzeit ohne Anlaufzeit und sogar mit kalten Händen direkt hinlegen können. Um dies hinzukriegen muss man nebst viel üben plötzlich unvermittelt in einer Probenpause oder als erstes am Morgen oder gar mitten im Tag, wenn man eigentlich gar kein Cello in der Hand hatte, spontan sich hinsetzen und die Stelle fehlerfrei spielen.

 

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