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Ist es schlimm, dass die Plattenindustrie Probleme hat?

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CDs werden nach allen Regeln der Kunst produziert: Kein falscher Ton wird je zu hören sein, nie wird ein Instrument zu leise oder zu laut sein und das akustische Erlebnis ist auf dem allerhöchsten Niveau. Das hat selbstverständlich seinen Preis. Auf Grund der hohen Herstellungskosten einer CD führt der ideale Weg über ein Platten-Label wie Deutsche Grammophon, EMI oder Sony. Für 99,99% aller Künstler ist es unmöglich, von so einem Label berücksichtigt zu werden. Es gibt zwar viele kleinere Labels, bei denen man für einen CD-Vertrag anklopfen kann. Aber die Chancen sind auch da klein, denn die Labels wissen, dass Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht gehalten werden müssen und es überdies zu jeder Zeit der Musikgeschichte viel zu viele Musiker gegeben hat, als dass man alle hätte berücksichtigen können. Ist ein Plattendeal indes einmal abgeschlossen, kümmern sich die schlagkräftigen Plattenfirmen um Aufnahme, Artwork und weltweite Vermarktung, Radio- und Fernsehausstrahlung etc. Auch wenn es hie und da mal einen Flop gab und bei weitem nicht jeder Künstler finanziell davon profitiert, wurden einige steinreich, nicht zuletzt die Plattenfirmen.

Noch vor zehn Jahren war die Herstellung einer CD für einen Künstler die einzige Möglichkeit, seine Arbeit zu verbreiten. Viele gute Künstler, die keinen Plattendeal hatten, gingen indes leer aus und erreichten nie eine Aufmerksamkeit, wie sie einem Starmusiker in der Obhut eines Labels zuteil wurde.

Internet und Youtube haben das Business auf den Kopf gestellt

Mittlerweile haben sich die Zeiten jedoch drastisch geändert. Seit Jahren kämpft die Plattenindustrie gegen rückläufige Umsätze. Zwar schädigen illegale Downloads die Industrie ohne Zweifel. Doch die Hauptursachen für die Schwierigkeiten der Industrie dürften das Internet und die immer günstiger und gleichzeitig leistungsfähiger werdende Aufnahmetechnik sein, welche die Spielregeln im Business grundsätzlich verändert haben. So ist es heute für jemanden wie mich möglich, ein Konzert auf Video aufzuzeichnen, dazu ein Mikrofon aufzustellen, am Computer beides zusammenzuschneiden und dann alles auf Youtube hochzuladen. Vor 15 Jahren hätte ich dafür die Hilfe einer Fernsehanstalt und das entsprechende Kleingeld gebraucht. Nun geht das alles zum Nulltarif. Die Verbreitung auf Youtube funktioniert zudem eher noch besser als über eine Fernsehanstalt, weil das Video rund um die Uhr abrufbar ist. So eine Art von Publicity ist sehr viel wert und innerhalb weniger Monate kann ich tausende von Betrachtern erreichen.

CD top, Konzert flop

Natürlich ist die Qualität nicht mit der einer Plattenlabel-Produktion zu vergleichen, da ein Plattenlabel mit viel höherem Aufwand arbeitet, um jeden kleinen Fehler herauszueditieren. Aber auf der anderen Seite zeigt mein Video realistisch, was ich im Konzert leisten kann. Bei etlichen berühmten Vertragskünstlern der grossen Labels kauft man eine CD oder eine DVD und denkt “wow!”, geht dann aber ins Konzert und denkt: “Naja, der hat wohl seine beste Zeit hinter sich”, da die Qualitätsunterschiede zwischen Aufführung und Aufnahme eklatant sind. Natürlich möchte ich nicht generalisieren, denn es gibt durchaus Top-Leute, die im Konzert eine Spitzen-Leistung bringen. Niemand ist jedoch so perfekt wie eine CD des 21. Jahrhunderts.

Ein Gratisangebot ist unschlagbar

Der springende Punkt ist indes, dass einerseits Leute wie ich das Internet mit Gratis-Aufnahmen in nur moderat editierter aber guter Live-Qualität fluten und damit nach Aufmerksamkeit streben wobei meine Ziele nicht maximale Profite, sondern meinen Namen bekannt zu machen und eine Fan-Gemeinde aufzubauen sind, um beim nächsten Konzert mehr Publikum anzuziehen, währenddessen auf der anderen Seite eine ganze Plattenindustrie immer noch ihre Luxus-Aufnahmen einer Hand voll Cellisten zu verkaufen versucht, wie sie dies während einem halben Jahrhundert gemacht hat. Das kann nicht gut gehen, denn ein Gratisangebot kannst du nicht schlagen.

Nun zur abschliessenden Frage: Ist das schlimm? Für die Plattenindustrie und die 0,01% der Musiker, die mit der Plattenindustrie eng zusammenarbeiten, ist das sicher ein Problem. Für die 99.99% der Musiker, die nicht mit der Plattenindustrie verbandelt sind, ist es jedoch klar ein Vorteil, dass die Record-Labels an Macht eingebüsst haben und nicht mehr der alleinige Faktor auf dem Weg zu einer erfolgreichen Solistenlaufbahn sind.

Ich glaube sogar, dass diese ganze Entwicklung für die klassische Musik sehr vorteilhaft sein kann, weil durch Internet-Gratis-Musik viel mehr potenzielles Publikum erreicht und für Klassik sensibilisiert werden kann und so immer mehr Menschen in Besucher klassischer Konzerte konvertiert werden könnten. Aus meiner Sicht wird das Live-Konzert dadurch an Stellenwert gewinnen, was ich persönlich sehr begrüsse.

 

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Der Do-it-yourself-Musiker

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Das eigene Instrument super zu beherrschen ist heutzutage in Anbetracht der grossen Konkurrenz das Minimum. Ein Musiker sollte heute eine Reihe weiterer Fähigkeiten draufhaben, um sich erfolgreich durchzuschlagen. Nicht zuletzt, weil nicht jeder einen ganzen Staff oder mindestens einen Manager hat, der einem den Rücken frei hält. Hier eine Auswahl der Fähigkeiten, die mir für einen Musiker, der konzertieren will, wichtig und nützlich scheinen.
Ich habe mir die folgenden Fähigkeiten in einer Kombination aus “Learning-by-doning” und “Trial and error” angeeignet. Auf Youtube gibt es zu vielen hier erwähnten Themen gute Instruktionen und man findet auch sonst vor allem im englischsprachigen WWW gute Infos.

Noten am Computer schreiben: Der Vorteil der am Computer geschriebenen Noten ist die gute Lesbarkeit. Es ist sehr nützlich, ein Notensatz-Programm zu beherrschen, selbst wenn man nicht komponiert. Es kommt z. B. vor, dass im Orchester extrem unleserliches Material verteilt wird. Dann kann man eine eigene Stimme herstellen, was in Proben und Konzert unnötigen Stress vermeidet. Die Kollegen freuen sich auch darüber. Ein gutes, kostenloses Programm ist MuseScore. Auf Youtube gibt es viele Anleitungen.

Homepage gestalten und pflegen: In einem derart kompetitiven Umfeld wie der Musik ist ein Künstler ohne Web-Präsenz so gut wie inexistent. Wer darüber hinaus seine Homepage selber baut und unterhält, spart nicht nur Geld und lernt eine nützliche Fähigkeit, sondern hat auch maximale Flexibilität bei der Gestaltung und beim Aktualisieren. Denn nur eine regelmässig aktualisierte Homepage mit möglichst interessanten Informationen ist sinnvoll. Ich arbeite mit einem Programm namens Freeway Pro, welches ziemlich leicht zu bedienen ist. Es gibt aber zahlreiche andere Möglichkeiten wie z. B. das Redaktionssystem Joomla, welches mir einen sehr guten Eindruck macht und auch ein Blog etwa bei WordPress kann praktisch sein. Wichtig ist, eine eigene Domain zu haben (d. h. www.SebastianDiezig.com und nicht irgendwas wie bluewin.ch/users/websites/sdiezig.html , eigentlich selbstverständlich.)

Networking: Fürs Networking gibt es zahllose Möglichkeiten wie z. B. Facebook. Fast wichtiger scheint mir aber, Konzerte anderer (befreundeter) Künstler zu besuchen und die Leute danach backstage kurz zu treffen. Dies ist ohnehin eine wichtige Art der Unterstützung unter Musikern sowie eine gute Inspirationsquelle.

Publikum werben: Ich glaube, dass sich viele Musiker nicht bewusst sind, was es eigentlich braucht, einen Saal mit Publikum zu füllen. Stellen Sie sich einen grossen Konzertsaal wie das KKL vor: Niemand will vor leeren Rängen spielen! Tatsächlich gibt es extrem viele gute Cellisten. Aber nur wenige haben ihren Namen derart etablieren können, dass sie locker ein KKL füllen. (Deshalb werden für solche Künstler auch zum Teil sehr hohe Honorare bezahlt, weil die dann überall gefragt sind). Wenn ich mich in die Lage eines Konzertveranstalters versetze und mir vorstelle, dass ich einen Konzertsaal mit einer bestimmten Anzahl Plätzen habe, dann ist meine erste Überlegung: Welcher Künstler garantiert mir einen vollen Saal? Als Musiker muss man daher versuchen, immer so viele Leute wie möglich ins Konzert mitzubringen. Und wie bei “Networking” oben beschrieben, die Konzerte anderer Musiker besuchen. Denn ohne Publikum geht gar nichts und jeder sollte seinen Beitrag leisten.

Für die Publikumswerbung ist Facebook gut (Veranstaltungseinladung), ein Newsletter sowie Mund-zu-Mund-Propaganda und last-but-not-least: Auf der eigenen Homepage ein bisschen Hype erzeugen (warum nicht ein Countdown?). Auch nicht schlecht sind eigens designte Postkarten bei Vistaprint.ch. Allerdings ist der Versand dann recht aufwendig. Bei der Publikumswerbung ist Kreativität und Mut gefragt, nicht notwendigerweise viel Geld.

Presse anschreiben: Ein Artikel über ein kommendes Konzert in einer Zeitung kann auch Publikumsinteresse generieren. Man sollte die Medien frühzeitig anschreiben und nicht enttäuscht sein, wenn Sie nicht antworten oder einen nicht berücksichtigen. Es ist immer ein Versuch wert. Was logischerweise aussichtslos ist, ist eine Zeitung im Tessin anzuschreiben, wenn man ein Konzert im Thurgau hat.

Blattlesen: Eine Fähigkeit, die wohl schon immer sehr wichtig war. Wer gut vom Blatt liest, der spart enorm viel Zeit und zwar nicht nur, wenn er in einer Probe alles zuverlässig und schön vom Blatt spielen kann, sondern auch beim Erlernen neuer und schwieriger Solo-Literatur. Ich war lange Zeit so schlecht im Notenlesen, dass das blosse Entziffern eines neuen Stücks bereits enorm viel Zeit in Anspruch nahm. Glücklicherweise muss man im Orchester in immer recht wenig Zeit sehr viele Noten “fressen” und verbessert sich so automatisch. Aber auch gezieltes Training wirkt. Auf Youtube und auch sonst im WWW gibt es gute Tips (suchen Sie nach “how to sight read” oder ähnliche Suchabfragen). Besonders empfehlenswert ist es, jeden Tag ein kleines Stück oder ein paar Seiten eines Stückes vom Blatt zu lesen. Am besten mit Metronom in einem Tempo, welches einem erlaubt, das Stück fehlerfrei zu bewältigen, und ohne anzuhalten (Fehler später untersuchen und korrigieren). Anfangen sollte man mit nicht zu schwierigen Stücken. Ich drucke gerne auf imslp.org ein Stück zum lesen aus.

Gut vom Blattlesen setzt auch eine sehr gute Technik voraus. Tonleitern und Arpeggios helfen. Mehr Tipps zum Üben hier und mehr Tipps zum Zeit sparen hier.

Video und Audio von einem Konzert produzieren: Videokameras kosten nicht mehr alle Welt, gute Stative etwas mehr und Recorder wie die verschiedenen Modelle der Marke “Zoom” (Stativ separat zu kaufen) sind auch relativ erschwinglich. Jeder Musiker sollte seine Konzerte mindestens auf Audio aufnehmen und hinterher hören. Mit einem Zoom Handy Recorder (ich habe den H4n) erzielt man mit etwas Erfahrung eine sehr gute Klangqualität, die meiner Meinung nach auch für eigene CD-Produktionen und Demos reicht. Wer dazu noch an einem guten Ort im Saal eine HD-Videokamera aufstellt und evtl. wie ich eine liebe Frau hat, die die Kamera auch noch führt, um das Video etwas interessanter zu machen, der kann dann die Audiofiles bsp. in SoundStudio (günstige und einfach zu bedienende Software von Felt Tip Inc.) bearbeiten (Hall hinzufügen, Applaus usw. wegschneiden, evtl. auch kleine Schnitte und Korrekturen) und in iMovie Ton und Video zusammenfügen und dann alles auf Youtube hochladen.

Konzerte an Land ziehen: Dies ist wirklich extrem tricky und schwierig. Ich selber bin kein Profi darin. Glücklicherweise werde ich oft angefragt, was die viel bessere Situation ist. Es spielt definitiv eine Rolle, wieviel Publikum man anzieht (siehe oben “Publikum werben”). Und dann auch wer einen kennt (daher: Kontakte pflegen, Konzerte von Kollegen besuchen, Homepage haben, Kollegen gut behandeln, Presse miteinbeziehen usw.) Aber das Feld ist sehr kompetitiv. Ein Musiker, der sich aus der Masse abheben kann, hat wohl bessere Chancen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Eine Möglichkeit wäre z. B. sich auf bestimmte Sachen zu spezialisieren (ich spiele z. B. gern Solo-Rezitals mit heiklen Programmen, die nicht jeder spielen will und komponiere auch eigene Werke für Solo-Cello). Jeder sollte sich bewusst sein, dass nichts einfach so aus dem Himmel kommt. Fast noch besser als Konzerte an Land ziehen wäre, Konzerte selber zu veranstalten. Einerseits würde man so mehr Arbeit für Musiker generieren und höchstwahrscheinlich sehr viel lernen über die Schwierigkeiten des Konzertbetriebs (Finanzierung, Publikumswerbung, Organisatorisches…).

Immer mehr wissen wollen. Die oben genannten Fähigkeiten habe ich nur kurz angesprochen. Natürlich muss jeder, der sich damit befassen will, viele Infos und Anleitungen zusammensuchen. Zum Glück haben wir heutzutage das Internet, in dem man enorme Informationsschätze findet. Bitte vergeben Sie mir, dass ich jetzt nicht anfange, hier Links anzusammeln. Wenn ich etwas wissen will, dann google ich es und merke mir die Adresse normalerweise nicht. Mit der Zeit trägt man aber sehr viele Mosaiksteinchen mit Informationen zusammen und kann sie zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammenfügen. Jeder muss sich immer weiterbilden!

Fit und gesund bleiben: Cellospielen und die oben genannten Punkte sind alle sitzende Tätigkeiten. Nebst dem täglichen üben (so viel wie möglich) sollte ein Musiker deshalb auch extra Zeit investieren um körperlich fit und gesund zu sein (wie jeder andere Mensch auch). Ich fahre gern Rennrad (1-2x pro Woche) und fahre immer mit dem Rad zur Arbeit und mache zudem jeden Tag Krafttraining mit meinem eigenen Körpergewicht. Ein anderer sehr guter Sport ist Schwimmen (vor allem crawlen). Wichtig ist logischerweise auch genug Schlaf, so banal es klingen mag.