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Wie man effizient und effektiv Cello übt

Am Üben im Hotel in Tel Aviv
Am Üben im Hotel in Tel Aviv

Seit bald 23 Jahren spiele ich Cello und irgendwann ist mir dabei klar geworden, dass Üben weit mehr ist als das tausendfache Repetieren bestimmter Bewegungsabläufe. In diesem Artikel will ich zusammenfassen, was ich bis jetzt über möglichst effektives Celloüben weiss und täglich anwende.

Rechtzeitig mit der Arbeit beginnen

Es bedarf wohl kaum grosser Erwähnung, dass man nicht erst eine Woche vor dem Konzert mit dem Üben eines komplexen Stückes anfangen sollte. Lieber drei Monate vorher.

Zuerst das Material einrichten

Wenn man ein neues Stück zum Üben erhält, ist es sehr wichtig, in einer ersten Etappe die eigene Stimme einzurichten. Das heisst, dass man das ganze Stück von Anfang bis Schluss am Cello ein erstes Mal durchliest und rhythmisch zu verstehen versucht und dabei mit möglichst guten Fingersätzen und Bogenstrichen versieht. Je nach Komplexität des Werkes kann dies 30 Minuten bis drei Tage dauern. Beim Einrichten erhält man ein Bild von den Schwierigkeiten, die einen in den nächsten Wochen oder Monaten erwarten. Diese Etappe ist äusserst wichtig und erleichtert die Arbeit am Stück enorm, da man eine Basis legt, auf der man aufbauen kann. Es ist sehr wahrscheinlich und normal, dass man in den nächsten Wochen noch einige Bogenstriche und Fingersätze ändert, weil man bessere Lösungen findet.

Kollegen konsultieren, Aufnahmen hören, Videos ansehen

Man sollte unbedingt Aufnahmen vom zu übenden Werk anhören und Videos ansehen, um eine gute Vorstellung zu entwickeln, wie ein Stück gespielt wird. Ich denke nicht, dass dies der Entwicklung der eigenen Interpretation schadet, im Gegenteil. Bei technisch schwierigen Stellen, welche nicht besser werden wollen, kann es sich lohnen, kompetente Kollegen, die das Stück gespielt haben, um ihre Fingersätze zu fragen und diese dann zu prüfen.

Gehirn lernt immer, daher muss man von Anfang an alles richtig machen

Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis. So wie durch regelmässiges Begehen und Befahren einer Route über eine Wiese zuerst ein Trampelpfad, dann ein Weg und schliesslich eine “unbefestigte” Strasse entsteht, geschieht das gleiche im Gehirn, wenn ich zum ersten Mal eine bestimmte Stelle spiele und sie dann immer wieder spiele. Es entsteht ein Weg oder eine Synapse (vermutlich sogar mehrere). Um bei der Analogie zu bleiben: Auf der Wiese würde auch ein Weg entstehen, wenn alle Leute in eine falsche Richtung gehen würden. Natürlich würde das niemand tun, weil man so ja nicht ans richtige Ziel kommt. Beim Cello üben ist es indes genau gleich, bloss ist es da sehr leicht, fehlerhafte Wege zu gehen, zumal an jeder Ecke Schwierigkeiten und Probleme lauern. Wenn man beim Üben einer Stelle immer die gleichen Fehler macht, so werden die auch gelernt und sind später viel schwieriger auszutreiben. Daher muss man von Anfang an auf den richtigen Rhythmus, die richtige Intonation, den schönen Klang, die richtigen Striche und die korrekten Dynamiken und Artikulationen achten. Da dies schwierig ist und man ja schliesslich übt, weil man nicht alles eben mal so vom Blatt perfekt spielen kann, empfiehlt es sich, Stellen sehr langsam zu üben und “in gravierenden Fällen” vor dem Spielen gar ohne Instrument zu lesen, bis der Rhythmus, die Tonhöhen und der Text verstanden sind.

Langsam üben

Man muss dem Gehirn die Möglichkeit geben, das Kommende zu antizipieren, sonst ist man immer zu spät. In einem frühen Stadium ist dies nur in langsamen Tempi möglich. Wenn es in einem langsamen Tempo schliesslich geht, kann man etwas schneller spielen oder kleine Ausschnitte gar im Tempo versuchen. Wenn man ungeduldig ist, besteht die Gefahr, alles zu schnell zu üben, wodurch das Gehirn nicht lernen kann, zu antizipieren. Am besten ist es, ein Metronom auf ein langsames Tempo zu stellen und laufen zu lassen.

So viel wie möglich üben, aber auch so gut wie möglich, Pausen machen

Manchmal höre ich Leute sagen, dass man nicht viel, sondern effektiv üben muss. Wieder andere Leute üben extrem viel, vielleicht aber nicht besonders effektiv. Meine persönliche Meinung und Erfahrung ist, dass man beides gleichzeitig tun muss, nämlich so viel und so effektiv wie möglich zu üben, denn dann sind die besten Resultate zu erwarten. Allerdings muss man vorsichtig sein, dass man sich ob des vielen Übens nicht Verletzungen wie Sehnenscheidenentzündungen oder Rückenprobleme einhandelt. Prinzipiell muss man sofort aufhören zu üben, wenn man Schmerzen verspürt. Insbesondere anstrengende Stellen (z.b. mit Kräfte zehrenden Doppelgriffen oder Streckungen) sollte man nicht zu lange am Stück üben, sonst kann es gefährlich werden. Auch ist es wichtig, nach spätestens 45 Minuten eine 5-15-minütige Pause zu machen. Erstens kann die Konzentration nicht unbeschränkt lange aufrecht erhalten werden und zweitens kann sich der Körper so auch ein bisschen erholen.

Gut übt man generell gesagt dann, wenn die Zeit schnell zu vergehen scheint. Und die Zeit vergeht vor allem dann schnell, wenn man total konzentriert ist und das Gehirn “programmiert”. “Vegetatives” Tonleiternüben mit den Kopf beim Fussballspiel von gestern ist nicht sinnvoll.

So viel wie möglich üben, leichter gesagt als getan, nicht? …hier mein Artikel zum Thema Selbstdisziplin.

Gehirn immer “auf Trab halten”

Ich versuche beim Üben das Gehirn immer “auf Trab” zu halten. Sobald ich merke, dass ich beim Üben einer Stelle nicht weiterkomme oder die Konzentration verliere, wechsle ich zu einer anderen. Ein bisschen später komme ich wieder darauf zurück und sehe, was ich weiter für die Stelle tun kann und ob etwas von der vorherigen Arbeitsphase hängen geblieben ist. So springe ich zwischen vielen Stellen und Stücken hin und her und habe aus meiner Erfahrung den schnellsten und besten Lerneffekt.

Die Einstellung beim Üben: Probleme lösen!

Ich übe, um Sachen zu lernen, die ich nicht gut kann. Das ist wirklich sehr wichtig, denn es hat keinen Sinn, immer nur die Stellen zu üben, die man schon kann. Daraus folgt, dass ich beim täglichen Üben gewisse Stellen, die mir Probleme machen, mehrmals – dafür nicht allzu lang – bearbeite und auch während dem Üben anderer Stücke immer wieder kurz darauf zurückkomme, um mein Gehirn damit zu beschäftigen. Das geht besonders gut, wenn man die komplizierten Stellen auswendig kann, was übrigens ein weiterer Trick ist, um schwierige Passagen besser zu meistern.

Zur Zeit arbeite ich an drei Cellokonzerten, der Kodaly-Duo-Sonate und an verschiedenen Orchesterwerken so wie einigen anderen berühmten Cello-Passagen, die zur Zeit oder demnächst im LSO gespielt werden. Bei solcher Arbeitslast muss man so effizient wie möglich werden, da sonst die Zeit nicht reicht zumal die Orchesterproben und Konzerte ja täglich ihre Zeit beanspruchen. In allen Werken gibt es sehr schwierige, mittelschwierige und sehr leichte Stellen. Mit den leichten befasse ich mich nicht weiter sobald ich sie korrekt gelesen und eingeübt habe und sicher bin, dass ich sie kann. Die allerschwierigsten aber sind gewissermassen meine täglichen Problemfälle, welche ich immer im Gehirn ständig präsent zu haben versuche und mehrmals täglich beübe sowie auch im Bus oder auf dem Fahrrad zwischendurch mental durchgehe. Die mittelschwierigen erhalten eine Behandlung irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

Was schief gehen kann wird schief gehen

Oft ertappe ich mich dabei, dass eine schwierige Stelle nicht ganz klappt und mir dann sage, dass es mit der richtigen Konzentration im Konzert klappen wird. In so einem Fall müssen immer alle Alarmglocken klingeln! Denn: Was beim Üben nicht klappt, wird im Konzert-Stress erst recht nicht klappen.

Kein Stress – den Kopf nicht verlieren

Egal wie nah das Konzert ist, man muss immer gewissenhaft und rational üben und nie die Geduld verlieren. Es hat keinen Sinn, eine Woche vor dem Konzert nur noch durchzuspielen (auch wenn man das durchaus von Zeit zu Zeit einen Durchlauf machen muss!). Es ist vor allem dann eine Zeitverschwendung und kontraproduktiv, wenn noch Fehler und Ungenauigkeiten vorhanden sind, da man die dann lernt! Es ist viel besser, immer mit Konzentration und Ruhe die schwierigen Stellen “auseinanderzunehmen” und langsam zu üben, schnelle Stellen unter Tempo und in anderen Rhythmen (punktiert, anderen Gruppierungen usw.) im Gehirn “zu programmieren” und immer an den Details zu feilen. Auch die Intonation kann nie gut genug sein. Prinzipiell sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass noch genügend Zeit bleibt, die man effizient nutzen muss und man das Stück auch nicht nur für das Konzert nächste Woche übt, sondern hoffentlich noch für weitere Auftritte später im Leben.

Sich aufnehmen (Audio, aber auch Video)

Sehr sinnvoll ist es, die Durchläufe aufzunehmen und abzuhören. Es zahlt sich aus, Notizen in die Noten zu machen um später die Stellen, welche problematisch waren (Intonation, Klang, Rhythmus, Tempo, falsche Akzente etc.) effektiv zu verbessern. Oft realisiert man, dass es gar nicht so schlecht war, wie man meinte. Manchmal merkt man aber auch, dass man noch viel Arbeit hat.

Genug schlafen

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich an einem Tag an einer Stelle sehr konzentriert arbeite und am nächsten Tag einen Fortschritt feststelle. Dies ist, weil das Gehirn in der Nacht lernt. Genug Schlaf ist also sehr wichtig.

 

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Kodaly Duo mit Paula Novoa in Fribourg

PaulaNovoaAndSebastianDiezig

Mit der Geigerin Paula Novoa spiele ich am Freitag 17.2.2012 um 12h15 im Centre le Phénix, Rue des Alpes 7, Fribourg d

as äusserst melodische und effektvolle Duo des ungarischen Komponisten Zoltán Kodály (1882-1967). Dieses Duo ist eines der wichtigsten Werke für die Kombination Geige/Cello und steht dem Duo von Ravel (dem anderen “Über-Werk” dieser Gattung) in nichts nach. Die zu Grunde liegenden ungarischen Volkslieder und die schier unerschöpfliche Fantasie und geschickte Kompositionstechnik Kodaly’s haben ein Stück Musik geschaffen, welches jeden Zuhörer in den Bann der ungarischen Volksmusik ziehen wird. Sehr empfehlenswert.

Nicht nur in meinem musikalischen Leben begleitet mich Paula seit Jahren, auch im “wirklichen” Leben sind wir seit 2004 ein Paar. Die Probenarbeit ist entsprechend unkompliziert und einfach zu organisieren,zumal wir gemeinsam unter einem Dach leben. Übrigens hat uns der bekannte Fribourger Dirigent Théophanis Kapsopoulosdiese Partitur im Jahre 2008 zur Hochzeit geschenkt.

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Traditionelles Barockkonzert in Blitzingen

Blitzingen

Am 29.12.2011 um 18h spiele ich in der Kirche Blitzingen VS mit Silvia Nowak (Blockflöten und Cembalo), Bernard Maillard (Tenor) und meiner Frau Paula Novoa (Violine) das traditionelle “Festliche Barockkonzert zum Jahresausklang”. Dieses Konzert erfreut sich im Goms grosser Beliebtheit und es wäre schön, auch Sie dort zu sehen. Auf dem Programm stehen Werke von J.C. Schickardt (“Folia”), Kantaten von Telemann und Buxtehude, die berühmte Halvorsen-Bearbeitung der Haendel-Passacaglia für Violine und Cello, Auszüge aus den Bach-Gambensonaten sowie zum Schluss ein Weihnachtslied für alle zum Mitsingen. Eintritt ist frei, Kollekte wird am Ausgang erbeten. Was ich unbedingt erwähnen muss ist das kostenlose Apéro im Anschluss ans Konzert, zu dem alle Konzertbesucher herzlich eingeladen sind.

Ich wünsche all den zahlreichen Besuchern dieser Webseite frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr und vielleicht bis bald einmal an einem Konzert!

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Der Do-it-yourself-Musiker

doityourself

Das eigene Instrument super zu beherrschen ist heutzutage in Anbetracht der grossen Konkurrenz das Minimum. Ein Musiker sollte heute eine Reihe weiterer Fähigkeiten draufhaben, um sich erfolgreich durchzuschlagen. Nicht zuletzt, weil nicht jeder einen ganzen Staff oder mindestens einen Manager hat, der einem den Rücken frei hält. Hier eine Auswahl der Fähigkeiten, die mir für einen Musiker, der konzertieren will, wichtig und nützlich scheinen.
Ich habe mir die folgenden Fähigkeiten in einer Kombination aus “Learning-by-doning” und “Trial and error” angeeignet. Auf Youtube gibt es zu vielen hier erwähnten Themen gute Instruktionen und man findet auch sonst vor allem im englischsprachigen WWW gute Infos.

Noten am Computer schreiben: Der Vorteil der am Computer geschriebenen Noten ist die gute Lesbarkeit. Es ist sehr nützlich, ein Notensatz-Programm zu beherrschen, selbst wenn man nicht komponiert. Es kommt z. B. vor, dass im Orchester extrem unleserliches Material verteilt wird. Dann kann man eine eigene Stimme herstellen, was in Proben und Konzert unnötigen Stress vermeidet. Die Kollegen freuen sich auch darüber. Ein gutes, kostenloses Programm ist MuseScore. Auf Youtube gibt es viele Anleitungen.

Homepage gestalten und pflegen: In einem derart kompetitiven Umfeld wie der Musik ist ein Künstler ohne Web-Präsenz so gut wie inexistent. Wer darüber hinaus seine Homepage selber baut und unterhält, spart nicht nur Geld und lernt eine nützliche Fähigkeit, sondern hat auch maximale Flexibilität bei der Gestaltung und beim Aktualisieren. Denn nur eine regelmässig aktualisierte Homepage mit möglichst interessanten Informationen ist sinnvoll. Ich arbeite mit einem Programm namens Freeway Pro, welches ziemlich leicht zu bedienen ist. Es gibt aber zahlreiche andere Möglichkeiten wie z. B. das Redaktionssystem Joomla, welches mir einen sehr guten Eindruck macht und auch ein Blog etwa bei WordPress kann praktisch sein. Wichtig ist, eine eigene Domain zu haben (d. h. www.SebastianDiezig.com und nicht irgendwas wie bluewin.ch/users/websites/sdiezig.html , eigentlich selbstverständlich.)

Networking: Fürs Networking gibt es zahllose Möglichkeiten wie z. B. Facebook. Fast wichtiger scheint mir aber, Konzerte anderer (befreundeter) Künstler zu besuchen und die Leute danach backstage kurz zu treffen. Dies ist ohnehin eine wichtige Art der Unterstützung unter Musikern sowie eine gute Inspirationsquelle.

Publikum werben: Ich glaube, dass sich viele Musiker nicht bewusst sind, was es eigentlich braucht, einen Saal mit Publikum zu füllen. Stellen Sie sich einen grossen Konzertsaal wie das KKL vor: Niemand will vor leeren Rängen spielen! Tatsächlich gibt es extrem viele gute Cellisten. Aber nur wenige haben ihren Namen derart etablieren können, dass sie locker ein KKL füllen. (Deshalb werden für solche Künstler auch zum Teil sehr hohe Honorare bezahlt, weil die dann überall gefragt sind). Wenn ich mich in die Lage eines Konzertveranstalters versetze und mir vorstelle, dass ich einen Konzertsaal mit einer bestimmten Anzahl Plätzen habe, dann ist meine erste Überlegung: Welcher Künstler garantiert mir einen vollen Saal? Als Musiker muss man daher versuchen, immer so viele Leute wie möglich ins Konzert mitzubringen. Und wie bei “Networking” oben beschrieben, die Konzerte anderer Musiker besuchen. Denn ohne Publikum geht gar nichts und jeder sollte seinen Beitrag leisten.

Für die Publikumswerbung ist Facebook gut (Veranstaltungseinladung), ein Newsletter sowie Mund-zu-Mund-Propaganda und last-but-not-least: Auf der eigenen Homepage ein bisschen Hype erzeugen (warum nicht ein Countdown?). Auch nicht schlecht sind eigens designte Postkarten bei Vistaprint.ch. Allerdings ist der Versand dann recht aufwendig. Bei der Publikumswerbung ist Kreativität und Mut gefragt, nicht notwendigerweise viel Geld.

Presse anschreiben: Ein Artikel über ein kommendes Konzert in einer Zeitung kann auch Publikumsinteresse generieren. Man sollte die Medien frühzeitig anschreiben und nicht enttäuscht sein, wenn Sie nicht antworten oder einen nicht berücksichtigen. Es ist immer ein Versuch wert. Was logischerweise aussichtslos ist, ist eine Zeitung im Tessin anzuschreiben, wenn man ein Konzert im Thurgau hat.

Blattlesen: Eine Fähigkeit, die wohl schon immer sehr wichtig war. Wer gut vom Blatt liest, der spart enorm viel Zeit und zwar nicht nur, wenn er in einer Probe alles zuverlässig und schön vom Blatt spielen kann, sondern auch beim Erlernen neuer und schwieriger Solo-Literatur. Ich war lange Zeit so schlecht im Notenlesen, dass das blosse Entziffern eines neuen Stücks bereits enorm viel Zeit in Anspruch nahm. Glücklicherweise muss man im Orchester in immer recht wenig Zeit sehr viele Noten “fressen” und verbessert sich so automatisch. Aber auch gezieltes Training wirkt. Auf Youtube und auch sonst im WWW gibt es gute Tips (suchen Sie nach “how to sight read” oder ähnliche Suchabfragen). Besonders empfehlenswert ist es, jeden Tag ein kleines Stück oder ein paar Seiten eines Stückes vom Blatt zu lesen. Am besten mit Metronom in einem Tempo, welches einem erlaubt, das Stück fehlerfrei zu bewältigen, und ohne anzuhalten (Fehler später untersuchen und korrigieren). Anfangen sollte man mit nicht zu schwierigen Stücken. Ich drucke gerne auf imslp.org ein Stück zum lesen aus.

Gut vom Blattlesen setzt auch eine sehr gute Technik voraus. Tonleitern und Arpeggios helfen. Mehr Tipps zum Üben hier und mehr Tipps zum Zeit sparen hier.

Video und Audio von einem Konzert produzieren: Videokameras kosten nicht mehr alle Welt, gute Stative etwas mehr und Recorder wie die verschiedenen Modelle der Marke “Zoom” (Stativ separat zu kaufen) sind auch relativ erschwinglich. Jeder Musiker sollte seine Konzerte mindestens auf Audio aufnehmen und hinterher hören. Mit einem Zoom Handy Recorder (ich habe den H4n) erzielt man mit etwas Erfahrung eine sehr gute Klangqualität, die meiner Meinung nach auch für eigene CD-Produktionen und Demos reicht. Wer dazu noch an einem guten Ort im Saal eine HD-Videokamera aufstellt und evtl. wie ich eine liebe Frau hat, die die Kamera auch noch führt, um das Video etwas interessanter zu machen, der kann dann die Audiofiles bsp. in SoundStudio (günstige und einfach zu bedienende Software von Felt Tip Inc.) bearbeiten (Hall hinzufügen, Applaus usw. wegschneiden, evtl. auch kleine Schnitte und Korrekturen) und in iMovie Ton und Video zusammenfügen und dann alles auf Youtube hochladen.

Konzerte an Land ziehen: Dies ist wirklich extrem tricky und schwierig. Ich selber bin kein Profi darin. Glücklicherweise werde ich oft angefragt, was die viel bessere Situation ist. Es spielt definitiv eine Rolle, wieviel Publikum man anzieht (siehe oben “Publikum werben”). Und dann auch wer einen kennt (daher: Kontakte pflegen, Konzerte von Kollegen besuchen, Homepage haben, Kollegen gut behandeln, Presse miteinbeziehen usw.) Aber das Feld ist sehr kompetitiv. Ein Musiker, der sich aus der Masse abheben kann, hat wohl bessere Chancen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Eine Möglichkeit wäre z. B. sich auf bestimmte Sachen zu spezialisieren (ich spiele z. B. gern Solo-Rezitals mit heiklen Programmen, die nicht jeder spielen will und komponiere auch eigene Werke für Solo-Cello). Jeder sollte sich bewusst sein, dass nichts einfach so aus dem Himmel kommt. Fast noch besser als Konzerte an Land ziehen wäre, Konzerte selber zu veranstalten. Einerseits würde man so mehr Arbeit für Musiker generieren und höchstwahrscheinlich sehr viel lernen über die Schwierigkeiten des Konzertbetriebs (Finanzierung, Publikumswerbung, Organisatorisches…).

Immer mehr wissen wollen. Die oben genannten Fähigkeiten habe ich nur kurz angesprochen. Natürlich muss jeder, der sich damit befassen will, viele Infos und Anleitungen zusammensuchen. Zum Glück haben wir heutzutage das Internet, in dem man enorme Informationsschätze findet. Bitte vergeben Sie mir, dass ich jetzt nicht anfange, hier Links anzusammeln. Wenn ich etwas wissen will, dann google ich es und merke mir die Adresse normalerweise nicht. Mit der Zeit trägt man aber sehr viele Mosaiksteinchen mit Informationen zusammen und kann sie zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammenfügen. Jeder muss sich immer weiterbilden!

Fit und gesund bleiben: Cellospielen und die oben genannten Punkte sind alle sitzende Tätigkeiten. Nebst dem täglichen üben (so viel wie möglich) sollte ein Musiker deshalb auch extra Zeit investieren um körperlich fit und gesund zu sein (wie jeder andere Mensch auch). Ich fahre gern Rennrad (1-2x pro Woche) und fahre immer mit dem Rad zur Arbeit und mache zudem jeden Tag Krafttraining mit meinem eigenen Körpergewicht. Ein anderer sehr guter Sport ist Schwimmen (vor allem crawlen). Wichtig ist logischerweise auch genug Schlaf, so banal es klingen mag.

 

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Presseartikel: “Ein Kammermusik-Abend voller Kontraste” (Bergsträsser Anzeiger)

Datum: 12.10.2011
Medium: Bergsträsser Anzeiger
Titel: Ein Kammermusik-Abend voller Kontraste
Original: Ja

12. Oktober 2011 | Von Karin Pfeifer

Ein Kammermusik-Abend voller Kontraste

Kunstfreunde Bensheim: Viel Beifall für drei Cellisten und einen Pianisten im Parktheater

BENSHEIM. Die Kunstfreunde Bensheim überraschen in jüngster Zeit bei ihren Konzerten durch ungewöhnliche Besetzungen und seltene Programme. Auch das jüngste Konzert verdeutlichte diese Absicht. Ein Konzert mit drei Cellisten in Verbindung mit einem Pianisten wird sicher nicht sehr oft angeboten. Im Bensheimer Parktheater musizierten Mattia Zappa, Sebastian Diezig und Yoel Cantori (Violoncello) sowie Massimiliano Mainolfi (Klavier).

Da es für diese Besetzung fast keine Literatur gibt, sind Bearbeitungen zwingend notwendig. Mattia Zappa erwies sich hierbei als sehr geschickt. So erklang zu Beginn die Gambensonate Nr. 2 BWV 1028 von Johann Sebastian Bach in seiner Fassung für drei Celli. Die Gambe selbst ist bereits seit der Wiener Klassik aus dem Konzertsaal verschwunden. Allerdings werden die drei Originalsonaten, die zwischen 1717 und 1723 entstanden sind, auf Viola oder wie hier auf das Cello übertragen. Bei dieser Aufführung wurden zudem die Ober- und die Unterstimme des Cembalos den beiden anderen Celli zugeordnet. Da hier die Akkorde der Cembalostimme fehlten, wurde die lineare Stimmführung besonders hervorgehoben. Zudem entstand durch die durchsichtige schlanke Tonführung eine Wiedergabe von ganz eigenem Reiz.

 

Krasser Stilwandel

Joseph Haydn hat für seinen Arbeitgeber Fürst Esterházy, ein leidenschaftlicher Baryton-Spieler, zahlreiche Trios und Divertimenti geschrieben. Auch dieses Instrument mit seinen sechs Saiten und den 20 mitschwingenden Resonanzsaiten ist in der folgenden Zeit aus der Literatur verschwunden.

Aber bereits zu Haydns Zeit wurde das Divertimento D-Dur alternativ mit drei Violoncelli besetzt. Auch die Wiedergabe dieser leicht eingängigen Musik bevorzugte das schlanke Klangbild, bei dem die einzelnen Stimmen gut miteinander korrespondierten.

Mit Astor Piazzolas “Grand Tango” erfolgte zum Abschluss des ersten Programmteils ein krasser Stilwandel. Mattia Zappa spielte diesen konzertanten Tango leidenschaftlich zupackend mit grossem Ton und ausdrucksvollem Vibrato. Temperamentvol wurde er von Massimiliano Mainolfi am Klavier unterstützt.

Der zweite Teil dieses Kammermusikabends begann mit einem 2007 komponierten Werk für Violoncello solo von Giovanni Sollima. “La Folia” greift die barocke Form einer ständig wiederholten Bassmelodie auf, über der sich Variationen entwickeln. Aus spieltechnischen Gründen mussten hierbei die beiden tiefen Saiten oktaviert auf den Ton G eingestimmt werden. Darüber entwickelten sich Variationen ganz unterschiedlichen Charakters. Sebastian Diezig meisterte die Vielzahl an technischen Schwierigkeiten voller Bravour und glänzte mit eindrucksvoller Gestaltung.

1915 ist die Cellosonate von Claude Debussy entstanden. Auch hier erwies sich Zappa als sehr wandlungsfähiger Interpret. Sein Spiel kostete den Farbenreichtum dieses Werks voll aus. Der häufig episodenhafte Aufbau mit seinen vielen stimmungsmässigen Kontrasten wurde im guten Zusammenspiel mit dem Pianisten überzeugend dargestellt.

 

Aufbäumen gegen das Schicksal

Die beiden Musiker spielten anschliessend “Malinconia” von Jean Sibelius. Hier verarbeitet der Komponist den Tod seiner geliebten Tochter Kirsti. Die tiefe Trauer überträgt er hierbei auf die Bevorzugung der tiefen Lage des Cellos und dessen melancholische Melodik. Den reich gestalteten Klaviersatz könnte man vor allem in den Läufen und Arpeggien kurz vor dem verklingenden Schluss als Aufbäumen gegen das Schicksal deuten.

Versöhnlichen Wohlklang strahlt dagegen das Requiem op. 66 für drei Celli und Klavier von David Popper aus. Auch bei diesem 1891 in London uraufgeführten Werk für einen verstorbenen Freund geht es um Trauer und Wehmut, aber auch im Trost durch die Musik.

Nach diesem besinnlichen Abschluss des auf Kontrast ausgerichteten Programms gab es viel Beifall, der mit zwei ganz unterschiedlichen Zugaben belohnt wurde: Auf den Anfang von Verdis “La Traviata” folgte ein zarter Bach-Satz, mit dem der Kreis zum Konzertbeginn wieder geschlossen wurde. Karin Pfeifer

 

BensheimBA

 

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Presseartikel: “Fantasie für drei Stimmen” (Darmstädter Echo)

Datum: 10.10.2011
Medium: Darmstädter Echo
Titel: Fantasie für drei Stimmen
Original: Nein

10. Oktober 2011  | Von Klaus Trapp

Fantasie für drei Stimmen

Konzert: Findige Cellisten präsentieren ihre Bearbeitungen im Bensheimer Parktheater

BENSHEIM. 

Wenn drei Cellisten gemeinsam auftreten wollen, müssen sie besonders findig und fantasievoll sein, denn es gibt kaum Originalliteratur für diese Besetzung. Also bearbeitete der Cellist Mattia Zappa für sich und seine Kollegen Sebastian Diezig und Yoël Cantori Gambensonaten von Bach, wobei er geschickt die in den Originalen angelegte Dreistimmigkeit nutzte. Im zweiten Konzert der Saison bei den Bensheimer Kunstfreunden stand Johann Sebastian Bachs G-Dur-Sonate BWV 1027 am Beginn, und man erlebte eine fast schon romantisierende Wiedergabe mit variabler Dynamik und deutlicher Akzentuierung der jeweils führenden Stimme.

Eine weitere Fundgrube für die drei Cellisten sind Joseph Haydns ursprünglich für das Baryton, ein mit der Gambe verwandtes Instrument, bestimmte Trios. Haydns D-Dur-Divertimento wurde besonders leichtflüssig und feinsinnig vorgeführt, wobei die Homogenität des Spiels beeindruckte. Mit einem Augenzwinkern spielte die Dreiergruppe als eine der Zugaben das Vorspiel zu Verdis „La Traviata“ – Orchestermusik, auf raffinierte Weise reduziert. Und beim letzten offiziellen Programmpunkt, dem Requiem op. 66 für drei Celli und Orchester von dem aus Prag stammenden Romantiker David Popper, wurde der Orchesterpart aufs Klavier übertragen, während die Streicher in sonoren Klängen und eingängigen Melodien schwelgten.
Doch es gab auch Solistisches an diesem stilistisch vielfältigen Abend. Mattia Zappa und Massimiliano Mainolfi boten den Grand Tango von Astor Piazzolla in einer zugleich energischen und ausdrucksstarken Version, wobei der temperamentvolle Pianist manchmal im Eifer des Gefechts den Cellisten übertönte. Differenzierter gingen die beiden mit der späten Cellosonate von Claude Debussy um, deren kompositorische Finessen ausgekostet wurden. Recht robust dagegen geriet das Charakterstück „Malinconia“ von Jean Sibelius, eine eigenartige Mischung von düsteren Gebärden und virtuos auftrumpfenden Passagen.
Der Schweizer Cellist Sebastian Diezig steuerte eine gemäßigt moderne Kostbarkeit bei: „La Folia“ für Cello solo von dem 1962 in Palermo geborenen Giovanni Sollima. Nach barockem Muster werden über einem ständig wiederholten Bassmotiv Variationen entwickelt, wobei die Tonsprache sich vom tonalen Zentrum behutsam entfernt. Der Cellist vertiefte sich technisch gewandt und mit starker Intensität in die einfallsreichen Verwandlungen, in raschem Wechsel streichend und zupfend – eine von den Zuhörern im Parktheater Bensheim mit besonders kräftigem Beifall bedachte Leistung.

 

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Liebes Publikum, die neusten Meldungen:

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1. Neues Video “La Folia” – ein besonderes Solostück Giovanni Sollimas
Für die Interpretation von Giovanni Sollima erhielt ich im Jahr 2008 in Zagreb am Internationalen Cello-Wettbewerb “Antonio Janigro” den Spezialpreis für das beste Pflichtstück überreicht. Es war eine grosse Ehre, den Preis vom Komponisten Giovanni Sollima persönlich überreicht zu bekommen.

Am Benefizkonzert letzten Sonntag in Neuenburg habe ich endlich ein Video davon aufgezeichnet. Ich weiss, das die ganze Welt hat auch ohne diese neue Aufnahme funktioniert hat. Trotzdem finde ich, dass es ein sehr cooles und originelles Stück mit einer gelungenen Mischung aus barocken, popigen, jazzigen, rockigen und irischen Klängen ist. Dazu kommt die ungewöhnlichen Skordatur, die dem Cello einen fast kontrabassigen Klang gibt. Geniessen Sie die Aufnahme und hinterlassen Sie Ihre Kommentare auf Youtube oder im Gästebuch auf dieser Seite!

 

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2. Benefizkonzert in Neuenburg: 1125 Fr – herzlichen Dank für Ihre Grosszügigkeit!
Der Auftritt der “Cellomaniacs” Yoël Cantori, Mattia Zappa und mir in Neuenburg zu Gunsten der Association Mail Mali war ein Erfolg. Dank dem zahlreich erschienenen und spendablen Publikum konnten wir 1125 Schweizer Franken sammeln und der Association schenken. Danke an alle! Es hat Spass gemacht, für Sie zu spielen.

 

3. Presseartikel online über die “Cellomaniacs” in Bensheim
Im Bergsträsser Anzeiger ist ein wohlwollender Bericht über das Konzert von morgen in Bensheim erschienen. Mit Mattia Zappa, Yoël Cantori und Massimiliano Mainolfi spielen wir dort ein sehr abwechslungreiches Programm in einer Besetzung, wie sie die Kunstfreunde Bensheim noch nie geboten haben! Falls Sie in der Gegend sind: Es lohnt sich zu kommen. Den Presseartikel können Sie hier lesen.

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Video: Giovanni Sollima: La Folia

 

Sebastian Diezig, Cellist, performing Giovanni Sollima’s “La Folia”.
The piece was written in 2007 and has an unusual scordatura requiring the cellist to tune the C string down to a G which gives this double bass sound in the bass lines. I was awarded the special price for the performance of this particular work at Janigro Competition 2008 in Zagreb.
Live Recording October 2, 2011 in Neuchâtel, Chapelle de la Maladière.

 

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Warum Cellisten mit Gehörschutz spielen lernen müssen

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Das erste Thema, das ich hier besprechen will, ist eines meiner Lieblingsthemen. Glauben Sie mir: Musiker zu sein ist eine Offenbarung. Ich bin es mit Leib und Seele. Aber es ist auch so, dass es sehr laut ist auf einem Konzertpodium. Normalerweise wird ordentlich gekesselt und 130 Dezibel sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Im Sinfonieorchester sowieso und im Orchestergraben erst recht. Aber auch Kammermusik und das eigene Üben sind eine Belastung (jaja, auch ein Cello ist laut, fragen Sie Ihre Nachbaren (an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Nachbarn)). Ich habe mal einen Trompeter sagen gehört, dass er Trompete gar nicht laut finde. Er meinte das wirklich ernst. Vermutlich lacht er sich kaputt, wenn er hier liest, dass ein Cello laut ist, denn wenn er spielt, hört er wohl vom Cello gar nichts mehr. Ich schätze Trompete sehr, aber wer wie ich öfter mal eine ganze Vorstellung vor einer Trompete gesessen hat, der weiss, dass das ein sehr lautes Ding ist. Dies nur am Rande.

Wir sind heutzutage in der sehr glücklichen Situation, dass das Thema Gehörschutz und Gehörschäden nicht mehr totgeschwiegen wird. (Sogar unser Orchesterbüro hat uns im letzten Lohnbrief zum Tragen des Gehörschutzes aufgefordert.) Auch existieren mittlerweile sehr gute Gehörschütze der Marke Elacin. Jeder junge Berufsmusiker und auch Amateurmusiker sollte lernen, damit zu spielen. Ich spiele im Graben meist mit dem 25er-Filter. Das heisst der Lärm wird um 25 Dezibel reduziert. Im Sinfoniekonzert nehme ich normalerweise den 15er-Filter. Fangen Sie früh mit Gehörschutz an. Wenn Sie nämlich erst später in der Karriere beginnen, dann können Sie vermutlich die 15er und 25er-Filter vergessen und müssen mit dem 9er Vorlieb nehmen, da Sie sonst nicht genug gut hören. Den totalen Frieden im Graben hat man aber nur mit dem 25er :-)

Auch allein üben ist nicht leise! Üben tue ich je nach Stück und Lautstärke mit dem 15er- oder 25er-Filter, gelegentlich selbstverständlich auch ohne Gehörschutz um den Klang besser zu beurteilen und auch immer wieder mit Hoteldämpfer. Ich habe nicht das Gefühl, dass mein Klang darunter gelitten hat. Im Gegenteil ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, zu Hause mit dem Gehörschutz zu üben, damit man im Ernstfall daran gewöhnt ist. Wir würden ja auch nicht zu Hause eine schwierige Stelle mit einem Fingersatz üben und im Konzert dann einen völlig anderen verwenden, oder? Das wäre ungefähr das Gleiche. Der Klang eines Musikers leidet vor allem dann, wenn er nicht übt. Gehörschutz schadet da eher weniger.

In einem Solo-Konzert oder einem Kammermusik-Konzert spiele ich normalerweise ohne Gehörschutz. Doch sollte man die Lautstärken auch da nicht unterschätzen und in den Proben schrecke ich auch nicht davor zurück, ihn zu verwenden (insbesondere Klaviertrio ist für Cellisten laut – der Flügel hämmert nur ein paar Zentimeter hinter einem) und zudem sind die Probenräume oft sehr klein.

Im Orchester nehme ich für ein Solo den Gehörschutz sowieso raus. Auch gibt es manchmal sehr leise oder sehr heikle Stellen, in denen ich ohne Gehörschutz wohler bin.

Es ist mit Sicherheit etwas schwieriger, mit Gehörschutz zu spielen. Ich musste mir gewisse Tricks angewöhnen, um die Töne immer sauber zu treffen. Ich berühre zum Beispiel beim Spielen oft mit dem Schädel leicht einen der Wirbel oder mit dem Kiefer den Cellohals. Über meinen Körper höre ich mich so selber besser. Das andere Wichtige ist: Gute Fingersätze haben. Aber das ist auch ohne Gehörschutz wichtig und wäre für sich ein interessantes Thema für einen anderen Artikel.

Warum sollte also ein Musiker mit Gehörschutz spielen lernen: Weil es ganz klar ist, dass ein Musiker ohne Gehörschutz früher oder später ein irreversibles Gehör-Problem kriegen wird. Die Lautstärken sind vergleichbar mit denen an einem Rock-Konzert. Die ständige Exposition von tausenden von Stunden pro Jahr gibt den Ohren dann noch den Rest. Und wenn der Schaden mal da ist, dann wird es bestimmt schwierig werden, sicher und präzis zu musizieren. Der Gehörschutz ist da also das geringere Übel.

Als Cellist sollte man meiner Meinung nach auf die optionale Kordel, die in den Elacin-Gehörschutz eingebaut werden kann, verzichten. Ich habe es probiert und mich hat gestört, dass die Kordel während dem Spielen ständig die Schnecke streift, was man in den eigenen Ohren sehr gut hören kann.

Mein Eindruck ist, dass viele Musiker eine Abneigung gegen den Gehörschutz haben, weil sie keinen guten Gehörschutz haben. Glauben Sie mir: diese gelben, billigen Schaumstoff-Oropax sind gut fürs Heimwerken, aber nicht fürs Musikmachen. Ein guter Gehörschutz muss den Klang eins-zu-eins wiedergeben (also eine lineare Dämpfung über alle Frequenzen haben) und muss so konzipiert sein, dass man das eigene Blut nicht rauschen hört. Alles andere ist in meinen Ohren unbrauchbar. Der oben genannte Gehörschutz (Elacin) erfüllt diese Anforderungen.

Ein letztes Wort: der Applaus ist auch nicht leise. Wenn man schon das ganze Konzert mit Gehörschutz gespielt hat, kann man die Stöpsel auch noch für den Beifall drin lassen.

 

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Presseartikel: “Drei Celli und ein Flügel” (Bergsträsser Anzeiger)

Datum: 1.10.2011
Medium: Bergsträsser Anzeiger
Titel: Drei Celli und ein Flügel
Original: Nein

 

Kunstfreunde Bensheim: Besonderes Konzert am 8. Oktober im Parktheater

Drei Celli und ein Flügel

Bensheim. Wenn sich beim nächsten Konzert der Kunstfreunde Bensheim am kommenden Samstag (8.) drei Celli und ein Steinway-Flügel die Bühne des Parktheaters teilen, so tritt damit ein Ensemble in einer Instrumentenkombination auf, die so in der Konzertreihe noch nie zu hören war. Fest steht: Es handelt sich um eine überaus lohnenswerte Premiere, garantiert nicht nur für Cello-Fans.

Die seltene Kombination geht zurück auf die Idee dreier Freunde, nämlich der Cellisten Mattia Zappa, Yoel Cantori und Sebastian Diezig. Sie verbindet nicht nur eine langjährige Freundschaft, sondern vor allem die Leidenschaft fürs Cellospiel. “Man kann durchaus sagen, dass wir besessen sind”, so Sebastian Diezig. Und weil das so ist, lag nichts näher, als sich für ein “cello-manisches” Konzert zusammenzutun.

Gemeinsam mit Massimiliano Mainolfi (Klavier; kleines Bild) bildet Mattia Zappa außerdem ein sehr erfolgreiches Duo: Die Interpreten sind in Bensheim keine Unbekannten. Ihr Auftritt wurde bereits vor zwei Jahren im Parktheater gefeiert. Der Schweizer Zappa und der Italiener Mainolfi schlossen sich während ihres Musikstudiums an der weltweit renommierten New Yorker Juillard School 1994 zu einem Duo zusammen.

Ihr gemeinsames Debüt in der Carnegie Hall gaben sie im März 2001, zwei Jahre später folgte das Debüt im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Das Duo wird immer wieder zu internationalen Festivals eingeladen, aber auch als Solisten sind die beiden Musiker sehr gefragt.

Streifzug durch die Jahrhunderte

Die anderen beiden Cellisten, Sebastian Diezig und Yoel Cantori, kommen ebenfalls aus der Schweiz und sind dort als Solocellisten und Konzertmeister berühmter Orchester tätig. Gemeinsam machen die drei “Cellomaniacs” mit ihren Instrumenten in Bensheim einen Streifzug durch die Cello-Literatur der letzten dreihundert Jahre, teils gemeinsam, teils in unterschiedlichen Besetzungen: Alle drei Celli solo sind zu hören mit der Bearbeitung einer Bach’schen Gambensonate und einem Divertimento von Haydn. Einen ganz anderen Schwung bringt Astor Piazzollas berühmter Grand Tango auf die Bühne und weiter geht’s mit Debussy, Sibelius und Sollima.

Für das gelungene Solo-Stück von Sollima wird Diezig seine C-Saite auf ein “G” runterstimmen “und dann geht es richtig ab”, so Diezig selbst. Der Konzertabend geht mit David Poppers “Requiem für drei Celli und Klavier” zu Ende. zg