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8 Zeit sparende Techniken für alle Musiker

1. Gut vom Blatt spielen: Seit ich im Orchester drei Jahre neben einem Kollegen gesessen habe, der alles, was im Orchester auf dem Programm stand auf sehr genügendem Niveau vom Blatt spielen konnte, arbeite ich jeden Tag an meinen eigenen Prima-Vista-Fähigkeiten. Täglich lese ich ein paar Seiten aus mir unbekannten kammermusikalischen oder sinfonischen Werken, welche ich aus dem Internet beziehe (imslp.org). Mittlerweile lese ich bereits deutlich besser vom Blatt. Vermutlich werde ich noch einige Jahre täglicher Übung benötigen um das Top-Niveau meines Kollegen zu erreichen. Aber bereits jetzt spare ich sehr viel Zeit beim Erlernen eines neuen Stückes resp. kann mehr Repertoire auf einmal bewältigen.

2. Tonleitern und Arpeggios üben: Da ein grosser Teil der Musik auf Tonleitern und Arpeggios basiert, spart es viel Zeit, alle möglichen Tonleitern in allen Tonarten zu beherrschen. Die einfachen Tonleitern über vier Oktaven, Oktavtonleitern und chromatische Tonleitern sind der Anfang. Etwas schwieriger aber genauso nützlich sind Terzen und Sexten. Ich denke, dass 15 min konzentriertes Tonleitern-Üben sehr sinnvoll ist. Zur Zeit arbeite ich vor allem an meinen Terzen in höheren Lagen, da ich dort die grössten Schwächen habe.

3. Aufnahmen hören / Videos ansehen: Um die Blattspielpraxis nicht zu untergraben sollte man bei einem neuen Stück Aufnahmen und Videos erst hören / ansehen, wenn man das Stück einmal am Instrument vom Blatt durchgespielt hat. Dann aber lohnt es sich in jedem Fall, da man dadurch eine Klang-Vorstellung kriegt, die einem beim Üben den Weg leitet. Man spart enorm viel Zeit und erreicht bessere Resultate.

4. Nur an den Stellen arbeiten, die man noch nicht kann: Die Verlockung ist gross, die leichteren oder bereits gelernten Stellen immer wieder durchzuspielen. Das ist aber nicht effizient. Wenn man wenig Zeit zur Verfügung hat, sollte man immer zuerst die schwierigen Stellen üben. Generell sollte man beim Üben mehr an seinen Schwächen als an seinen Stärken arbeiten.

5. Gute Fingersätze benützen: Klar soll ein Fingersatz immer gut klingen. Aber wenn man eine Stelle aufgrund eines schwierigen Fingersatzes nicht zuverlässig und sauber spielen kann, dann klingt sie sowieso schlecht. Oft zahlt es sich also aus, einen einfacher zu spielenden Fingersatz zu verwenden, weil man dafür weniger üben muss und das Resultat besser ist. Konkret muss man beispielsweise immer prüfen, ob eine Stelle nicht leichter in der vierten statt der ersten Lage zu spielen ist oder ob die Daumenlage eine Stelle vereinfacht. Insbesondere die vierte Lage ist sehr nützlich. Für mich ist es z. B. gerade im Orchester viel sicherer, bei einem Einsatz ein Fis auf der G-Saite mit dem vierten Finger in der vierten Lage zu greifen, anstatt es mit dem 3. Finger in der ersten Lage auf der D-Saite zu versuchen. Auch Flageolete sollte man ausnützen, ausser sie stechen in einer Kantilene arg heraus.

Bei Sprüngen ist es häufig leichter, über die Saiten zu spielen, anstatt einen grossen Lagenwechsel zu machen. Schnelle Stellen sind auch in hohen Lagen immer leichter über die Saiten (in einer Hand) zu spielen anstatt mit vielen Lagenwechseln.

6. Gute Bogenstriche verwenden: Gerade bei Komponisten, die von Haus aus Pianisten waren, muss man nicht jede Phrasierung als Bogenstrich ernst nehmen. Manchmal ist es leichter, wenn man mehr teilt und erhält dadurch auch mehr Klang. Die vom Komponisten gewünschte Phrasierung kann man trotzdem realisieren.

7. Langsam üben: Es wirkt verkehrt, aber wenn man schnelle Fortschritte machen will, dann muss man langsam üben. Es hat keinen Sinn, schnell, aber fehlerhaft zu spielen, da so nur die Synapsen im Gehirn falsch verlötet werden. Langsam und korrekt bringen einen sicher und schnell ans Ziel. Mehr Tipps zum effizienten Üben hier.

8. Bleistift immer bereit halten: Wer beschlossene dynamische Anweisungen, Tempo- und Agogik-Hinweise, sowie Fingersätze und Striche sofort in die Noten einschreibt, spart viel Zeit nach dem Sprichwort: Der schwächste Bleistift ist stärker als das beste Gedächtnis. Fingersätze sollte man allerdings nur bei eigenen Projekten einschreiben. Dies, weil im Orchester immer zwei Musiker eine Stimme benützen und nicht alle den gleichen Fingersatz benützen. Es kann sehr stören, wenn in einer schwierigen Stelle ein anderer Fingersatz steht als der, den man benützt. Bonus-Tipp: Einen weichen Bleistift verwenden (z. B. 4B). Einzeichnungen sind schneller und genauer gemacht, da man weniger drücken muss und sind auch besser lesbar, da fetter und schwärzer.

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Wie man effizient und effektiv Cello übt

Am Üben im Hotel in Tel Aviv
Am Üben im Hotel in Tel Aviv

Seit bald 23 Jahren spiele ich Cello und irgendwann ist mir dabei klar geworden, dass Üben weit mehr ist als das tausendfache Repetieren bestimmter Bewegungsabläufe. In diesem Artikel will ich zusammenfassen, was ich bis jetzt über möglichst effektives Celloüben weiss und täglich anwende.

Rechtzeitig mit der Arbeit beginnen

Es bedarf wohl kaum grosser Erwähnung, dass man nicht erst eine Woche vor dem Konzert mit dem Üben eines komplexen Stückes anfangen sollte. Lieber drei Monate vorher.

Zuerst das Material einrichten

Wenn man ein neues Stück zum Üben erhält, ist es sehr wichtig, in einer ersten Etappe die eigene Stimme einzurichten. Das heisst, dass man das ganze Stück von Anfang bis Schluss am Cello ein erstes Mal durchliest und rhythmisch zu verstehen versucht und dabei mit möglichst guten Fingersätzen und Bogenstrichen versieht. Je nach Komplexität des Werkes kann dies 30 Minuten bis drei Tage dauern. Beim Einrichten erhält man ein Bild von den Schwierigkeiten, die einen in den nächsten Wochen oder Monaten erwarten. Diese Etappe ist äusserst wichtig und erleichtert die Arbeit am Stück enorm, da man eine Basis legt, auf der man aufbauen kann. Es ist sehr wahrscheinlich und normal, dass man in den nächsten Wochen noch einige Bogenstriche und Fingersätze ändert, weil man bessere Lösungen findet.

Kollegen konsultieren, Aufnahmen hören, Videos ansehen

Man sollte unbedingt Aufnahmen vom zu übenden Werk anhören und Videos ansehen, um eine gute Vorstellung zu entwickeln, wie ein Stück gespielt wird. Ich denke nicht, dass dies der Entwicklung der eigenen Interpretation schadet, im Gegenteil. Bei technisch schwierigen Stellen, welche nicht besser werden wollen, kann es sich lohnen, kompetente Kollegen, die das Stück gespielt haben, um ihre Fingersätze zu fragen und diese dann zu prüfen.

Gehirn lernt immer, daher muss man von Anfang an alles richtig machen

Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis. So wie durch regelmässiges Begehen und Befahren einer Route über eine Wiese zuerst ein Trampelpfad, dann ein Weg und schliesslich eine “unbefestigte” Strasse entsteht, geschieht das gleiche im Gehirn, wenn ich zum ersten Mal eine bestimmte Stelle spiele und sie dann immer wieder spiele. Es entsteht ein Weg oder eine Synapse (vermutlich sogar mehrere). Um bei der Analogie zu bleiben: Auf der Wiese würde auch ein Weg entstehen, wenn alle Leute in eine falsche Richtung gehen würden. Natürlich würde das niemand tun, weil man so ja nicht ans richtige Ziel kommt. Beim Cello üben ist es indes genau gleich, bloss ist es da sehr leicht, fehlerhafte Wege zu gehen, zumal an jeder Ecke Schwierigkeiten und Probleme lauern. Wenn man beim Üben einer Stelle immer die gleichen Fehler macht, so werden die auch gelernt und sind später viel schwieriger auszutreiben. Daher muss man von Anfang an auf den richtigen Rhythmus, die richtige Intonation, den schönen Klang, die richtigen Striche und die korrekten Dynamiken und Artikulationen achten. Da dies schwierig ist und man ja schliesslich übt, weil man nicht alles eben mal so vom Blatt perfekt spielen kann, empfiehlt es sich, Stellen sehr langsam zu üben und “in gravierenden Fällen” vor dem Spielen gar ohne Instrument zu lesen, bis der Rhythmus, die Tonhöhen und der Text verstanden sind.

Langsam üben

Man muss dem Gehirn die Möglichkeit geben, das Kommende zu antizipieren, sonst ist man immer zu spät. In einem frühen Stadium ist dies nur in langsamen Tempi möglich. Wenn es in einem langsamen Tempo schliesslich geht, kann man etwas schneller spielen oder kleine Ausschnitte gar im Tempo versuchen. Wenn man ungeduldig ist, besteht die Gefahr, alles zu schnell zu üben, wodurch das Gehirn nicht lernen kann, zu antizipieren. Am besten ist es, ein Metronom auf ein langsames Tempo zu stellen und laufen zu lassen.

So viel wie möglich üben, aber auch so gut wie möglich, Pausen machen

Manchmal höre ich Leute sagen, dass man nicht viel, sondern effektiv üben muss. Wieder andere Leute üben extrem viel, vielleicht aber nicht besonders effektiv. Meine persönliche Meinung und Erfahrung ist, dass man beides gleichzeitig tun muss, nämlich so viel und so effektiv wie möglich zu üben, denn dann sind die besten Resultate zu erwarten. Allerdings muss man vorsichtig sein, dass man sich ob des vielen Übens nicht Verletzungen wie Sehnenscheidenentzündungen oder Rückenprobleme einhandelt. Prinzipiell muss man sofort aufhören zu üben, wenn man Schmerzen verspürt. Insbesondere anstrengende Stellen (z.b. mit Kräfte zehrenden Doppelgriffen oder Streckungen) sollte man nicht zu lange am Stück üben, sonst kann es gefährlich werden. Auch ist es wichtig, nach spätestens 45 Minuten eine 5-15-minütige Pause zu machen. Erstens kann die Konzentration nicht unbeschränkt lange aufrecht erhalten werden und zweitens kann sich der Körper so auch ein bisschen erholen.

Gut übt man generell gesagt dann, wenn die Zeit schnell zu vergehen scheint. Und die Zeit vergeht vor allem dann schnell, wenn man total konzentriert ist und das Gehirn “programmiert”. “Vegetatives” Tonleiternüben mit den Kopf beim Fussballspiel von gestern ist nicht sinnvoll.

So viel wie möglich üben, leichter gesagt als getan, nicht? …hier mein Artikel zum Thema Selbstdisziplin.

Gehirn immer “auf Trab halten”

Ich versuche beim Üben das Gehirn immer “auf Trab” zu halten. Sobald ich merke, dass ich beim Üben einer Stelle nicht weiterkomme oder die Konzentration verliere, wechsle ich zu einer anderen. Ein bisschen später komme ich wieder darauf zurück und sehe, was ich weiter für die Stelle tun kann und ob etwas von der vorherigen Arbeitsphase hängen geblieben ist. So springe ich zwischen vielen Stellen und Stücken hin und her und habe aus meiner Erfahrung den schnellsten und besten Lerneffekt.

Die Einstellung beim Üben: Probleme lösen!

Ich übe, um Sachen zu lernen, die ich nicht gut kann. Das ist wirklich sehr wichtig, denn es hat keinen Sinn, immer nur die Stellen zu üben, die man schon kann. Daraus folgt, dass ich beim täglichen Üben gewisse Stellen, die mir Probleme machen, mehrmals – dafür nicht allzu lang – bearbeite und auch während dem Üben anderer Stücke immer wieder kurz darauf zurückkomme, um mein Gehirn damit zu beschäftigen. Das geht besonders gut, wenn man die komplizierten Stellen auswendig kann, was übrigens ein weiterer Trick ist, um schwierige Passagen besser zu meistern.

Zur Zeit arbeite ich an drei Cellokonzerten, der Kodaly-Duo-Sonate und an verschiedenen Orchesterwerken so wie einigen anderen berühmten Cello-Passagen, die zur Zeit oder demnächst im LSO gespielt werden. Bei solcher Arbeitslast muss man so effizient wie möglich werden, da sonst die Zeit nicht reicht zumal die Orchesterproben und Konzerte ja täglich ihre Zeit beanspruchen. In allen Werken gibt es sehr schwierige, mittelschwierige und sehr leichte Stellen. Mit den leichten befasse ich mich nicht weiter sobald ich sie korrekt gelesen und eingeübt habe und sicher bin, dass ich sie kann. Die allerschwierigsten aber sind gewissermassen meine täglichen Problemfälle, welche ich immer im Gehirn ständig präsent zu haben versuche und mehrmals täglich beübe sowie auch im Bus oder auf dem Fahrrad zwischendurch mental durchgehe. Die mittelschwierigen erhalten eine Behandlung irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

Was schief gehen kann wird schief gehen

Oft ertappe ich mich dabei, dass eine schwierige Stelle nicht ganz klappt und mir dann sage, dass es mit der richtigen Konzentration im Konzert klappen wird. In so einem Fall müssen immer alle Alarmglocken klingeln! Denn: Was beim Üben nicht klappt, wird im Konzert-Stress erst recht nicht klappen.

Kein Stress – den Kopf nicht verlieren

Egal wie nah das Konzert ist, man muss immer gewissenhaft und rational üben und nie die Geduld verlieren. Es hat keinen Sinn, eine Woche vor dem Konzert nur noch durchzuspielen (auch wenn man das durchaus von Zeit zu Zeit einen Durchlauf machen muss!). Es ist vor allem dann eine Zeitverschwendung und kontraproduktiv, wenn noch Fehler und Ungenauigkeiten vorhanden sind, da man die dann lernt! Es ist viel besser, immer mit Konzentration und Ruhe die schwierigen Stellen “auseinanderzunehmen” und langsam zu üben, schnelle Stellen unter Tempo und in anderen Rhythmen (punktiert, anderen Gruppierungen usw.) im Gehirn “zu programmieren” und immer an den Details zu feilen. Auch die Intonation kann nie gut genug sein. Prinzipiell sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass noch genügend Zeit bleibt, die man effizient nutzen muss und man das Stück auch nicht nur für das Konzert nächste Woche übt, sondern hoffentlich noch für weitere Auftritte später im Leben.

Sich aufnehmen (Audio, aber auch Video)

Sehr sinnvoll ist es, die Durchläufe aufzunehmen und abzuhören. Es zahlt sich aus, Notizen in die Noten zu machen um später die Stellen, welche problematisch waren (Intonation, Klang, Rhythmus, Tempo, falsche Akzente etc.) effektiv zu verbessern. Oft realisiert man, dass es gar nicht so schlecht war, wie man meinte. Manchmal merkt man aber auch, dass man noch viel Arbeit hat.

Genug schlafen

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich an einem Tag an einer Stelle sehr konzentriert arbeite und am nächsten Tag einen Fortschritt feststelle. Dies ist, weil das Gehirn in der Nacht lernt. Genug Schlaf ist also sehr wichtig.