Im Artikel ” wie man effizient und effektiv Cello übt“, haben wir bereits 12 Tipps gesehen. Hier kommen drei weitere Ideen für noch mehr Fortschritte.
1. 80/20-Regel:
Eine wohlbekannte Zeitmanagement-Formel besagt, dass 20% der Arbeit 80% der Resultate generiert und die restlichen 80% der Arbeit nur noch 20% des Ergebnisses erzeugt. In meiner eigenen Erfahrung kann man diese Regel eins zu eins aufs Cello übertragen. So sollte man sich immer überlegen, was man zwingend üben muss und was auch ohne Üben geht. Damit will ich nicht sagen, dass man überhaupt nicht mehr zu üben braucht – im Gegenteil. Aber wenn man übt, dann das Richtige. Oft weiss man intuitiv sehr genau, welche Stellen unangenehm sind und daher geübt werden müssen. Andere Stellen spielen sich sehr leicht und die Verlockung ist daher gross, immer daran weiterzuarbeiten. Das bringt jedoch eben nur wenig Resultate. Viel grössere Fortschritte kommen aus der Arbeit an Stellen, die man nicht mal eben so vom Blatt spielen kann.
2. Arbeite an deinen Schwächen:
Oft halten einen die eigenen Defizite am stärksten zurück. Bei mir war dies lange Zeit das Blattlesen. Seit ich täglich 10min unbekanntes Notenmaterial lese, bin ich aber recht sattelfest geworden. Eine andere Schwäche war bei mir meine Kenntnisse in “Griffbrett-Geografie”: Ich musste für jede halbwegs komplizierte Stelle einen Fingersatz finden und einstudieren um dann sicher zu sein. Mit routinemässigem Üben von Terz-, Sext-, Oktav-, und Arpeggiotonleitern in allen Tonarten sowie komplizierten Etüden habe ich meine Orientierung auf dem Griffbrett deutlich verbessern können. Das Ausmerzen dieser beiden Schwächen hat meine Geschwindigkeit im Lernen neuen Notenmaterials beschleunigt und meine Kreativität bei Fingersätzen beflügelt. Beides kommt mir täglich zu Gute. Hat man mal eine Schwäche ausgemerzt, so ist man auf einem neuen Niveau und wird neue Schwächen orten, die es zu bekämpfen gilt.
3. Arbeite an deinen Stärken:
Um mit Roger Federer zu sprechen: “Wenn du an deinen Schwächen arbeitest, wirst du ein kompletter Spieler. Aber du wirst nicht mehr gefährlich sein. Deswegen arbeite ich an meinen Stärken.” Dieses Zitat ist mir erst kürzlich über den Weg gelaufen und ich habe vorher noch nie darüber nachgedacht. Zwar würde ich weiterhin an den Schwächen arbeiten, denn dort kann man die 80/20-Regel am effektivsten umsetzen. Aber die eigenen Stärken sollte man tatsächlich auch kultivieren. Hat man beispielsweise das Talent, einen besonders schönen Ton zu erzeugen, so sollte man jeden Tag nach weiteren Tricks suchen, um den Ton noch schöner zu machen. Ist man begabt für einen grossen, solistischen Ton, so soll man auch da mehr Möglichkeiten suchen. Ist man ein Virtuose, so sollte man immer virtuoser werden. Hat man eine sichere Intonation, so soll das so bleiben oder gar noch besser werden etc.
Eine fantastische Zusammenstellung aller wichtigen Dinge im Profimusikeralltag direkt aus der Orchesterpraxis!
Ich danke Ihnen, die Texte haben mich neu motiviert für meine eigene Praxis!
Mit herzlichen Grüßen,
Nikola Meyer, stv. Solokontrabassistin in Helsingborgs Symfoniorkester/Schweden.