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Das kleine 1×1 der effektiven Kammermusik-Probe

Das Vector Quartet Luzern
Das Vector Quartet Luzern

Kaum ein Musiker, der nicht gerne Kammermusik spielt. Dennoch will das Zusammenspiel und die empfindliche Teamarbeit gelernt sein. Hier ein paar meiner Erfahrungen und Tipps.

1. Die eigene Stimme vorbereiten: 

Eine Kammermusikgruppe ist nur so gut wie der am schlechtesten vorbereitete Spieler. Jeder sollte seine Stimme daher sehr gut spielen können. Dies bedingt nebst üben auch das Hören von Aufnahmen und evtl. das Studium einer Partitur.

2. Kritikfähig sein:

Wenn man Kammermusik spielt, wird man von den Kollegen Feedback erhalten. Sie werden diesen oder jenen Ton zu hoch oder zu tief finden, sich die eine Phrase anders vorstellen, dich an bestimmten Stellen zu laut oder zu leise finden, rhythmische Mängel aufdecken wollen usw. Man darf diesbezüglich nie die Geduld verlieren und sollte niemals reflexartig zurückschiessen, sondern die Kritik zu verstehen versuchen, überlegen ob etwas daran ist und gegebenenfalls diskutieren. Wenn man kritikfähig ist, lernt man von den Kollegen und das ist das Wichtigste.

3. Zuerst vor der eigenen Haustüre kehren:

Bevor man man die anderen Kollegen im Ensemble kritisiert, sollte man selber seinen Job möglichst gut machen. Die Kollegen nehmen dann deine Vorschläge viel ernster, als wenn du wackelig vom Blatt spielst und dann deine Ideen über die Interpretation vorträgst.

4. Den anderen ihren individuellen Geschmack zugestehen:

Jeder Musiker hat seinen persönlichen Geschmack. Der eine spielt gern mit viel Vibrato, der andere eher mit wenig usw. Meine Devise ist immer: So lange es überzeugend ist, ist es gut, ganz gleich, ob es nun stilistisch gerade der aktuellen Mode entspricht. Vor man also die anderen auffordert, so oder anders zu spielen, sollte man sicher sein, dass man es nicht überzeugend findet. Man sollte selber flexibel sein und sich anpassen können, da dies auch eine grosse Qualität ist, die man bei sich fördern will. Ein guter Musiker kann sich vorstellen, eine Stelle auf ganz verschiedene Arten zu spielen.

5. Wenig und konstruktiv kritisieren:

Wenn man bei den anderen dann doch etwas kritisieren möchte, dann muss man sehr geschickt sein, da Musiker sensibel sind und verletzt reagieren können. Man sollte wie im Pädagogik-Unterricht gelernt zuerst Positives hervorheben und dann erst in Form eines Vorschlages den persönlichen Wunsch einbringen. Es ist ein Riesen-Unterschied, ob man sagt: “Der letzte Ton muss ohne Vibrato sein!” oder ob man sagt: “Darf ich etwas vorschlagen? Spielen wir doch versuchshalber mal den letzten Ton ohne Vibrato, das könnte an dieser Stelle ein schöner Farbwechsel sein.”

Zudem sollte man nicht zu oft kritisieren. Etliche Probleme lösen sich von selber oder sind dem anderen Musiker gar bewusst. Auch hat man mehr Chancen, erhört zu werden, wenn man nicht allzuviel sagt.

6. Mehr spielen als diskutieren:

Es ist meine Auffassung, dass in einer guten Probe viel mehr gespielt als diskutiert wird. Endlose Diskussionen über Bogenstriche, Dynamik usw. strapazieren die Geduld der Teilnehmer und bringen das Ensemble häufig nicht wirklich voran. Bei jeder Idee, die man hat, sollte man sich fragen: Ist es wirklich wichtig? Haben wir genug Zeit, das jetzt zu diskutieren?

7. Ausgerüstet sein:

Bei Proben und Konzerten einen Bleistift, Notenständer sowie einen Bodenschutz mitbringen, damit man effizient arbeiten kann.

8. Partitur dabei haben: Es ist unendlich angenehmer, schnell etwas in der Partitur zu kontrollieren, anstatt zu mutmassen, was die Kollegen wohl in ihrer Stimme haben und dann falsch zu liegen. Auf imslp.org findet ausser den Komponisten des 20. und 21. Jahrhundert fast alles, was man braucht – gratis.

9. Bei zu erledigenden Arbeiten mitanpacken: 

Geht es bsp. darum, Probenräume zu reservieren, Homepage zu erstellen, Werbung zu machen, einen Anruf zu tätigen, Kopien zu machen, usw. dann sollte man mitanpacken und Tätigkeiten, die man gut machen kann, machen. Es ist wirklich eine Teamarbeit und wenn jeder mithilft, dann sind die Resultate besser.

10. Unkompliziert sein:

Der ideale Kammermusiker ist einfach im Umgang, weil er gut gelaunt ist, vorbereitet, pünktlich, zuverlässig, terminlich so flexibel wie es im möglich ist und aufgrund seiner exzellenten musikalischen Fähigkeiten und Vorbereitungsarbeiten auch im Zusammenspiel keine Probleme macht. Das ist alles wichtig, weil solche Leute öfters angefragt werden als der ständig schlecht gelaunte, chronisch unvorbereitete Musiker mit jeweils mindestens 15 min Verspätung.