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Üben müssen vs. üben wollen

“Kommst du heute Abend in die Stadt?” – “Nein, ich *muss* üben.”
Solche oder ähnliche Gespräche kennt vermutlich jeder von uns. Aber mal ehrlich: Niemand *muss* üben, niemand zwingt uns und das Leben geht weiter, wenn wir nicht üben. Und vor allem klingt das nach unangenehmer Arbeit!
Aus meiner Sicht geschehen zwei Dinge, wenn wir sagen, dass wir üben *müssen*:

1. Wird die andere Person versuchen, uns davon abzubringen.

2. Untergraben wir unsere Selbstmotivation, wenn wir sagen, dass wir *müssen*, weil wir uns so verhalten, wie wenn wir einen unangenehmen Befehl auszuführen hätten.

Ich finde es daher viel sinnvoller, den Leuten und sich selber zu sagen: “Heute *will* ich üben.” Denn das ist die Wahrheit. Man *muss* nicht – nein – man *will* (oder man will eben nicht und dann lässt man’s sein und trägt die künstlerischen Konsequenzen).
Zu sagen, dass man will macht einen grossen Unterschied, denn:

1. Werden andere Personen das viel eher respektieren und weniger dazu neigen, uns davon abzubringen.

2. Motiviere ich mich besser, wenn ich etwas *will* obschon ich nicht *muss*.

3. Ist es die Wahrheit (niemand wird *gezwungen*, zu üben. Im äussersten Notfall könnte man sich einen anderen Beruf aussuchen.)

Wie mein erster Lehrer (P.-B. Sudan) mir mal gesagt hat: “Wollen ist können”. Er hat Recht.

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Warum komponieren?

Aus meiner Sicht ist es für jeden guten Musiker ein Plus, wenn er auch selber komponiert. Einerseits hat er so etwas ganz Spezielles in seinen Konzerten zu bieten und andererseits verfügt er dann nicht nur über die Perspektive des Interpreten, sondern auch über die eines Komponisten.

Die Komponisten-Perspektive erweitert den Horizont

Ich selber bin ein Gelegenheitskomponist und schreibe für den Eigengebrauch. In den letzten fünf Jahren habe ich 2 Stücke für Solocello (Blues, 2007 & Top Gun Variations 2012) sowie eine Kadenz für das Haydn C-Dur-Cellokonzert und eine für ein Boccherini-Konzert geschrieben. Trotz meines quantitativ sehr bescheidenen “Outputs” hat sich für mich dadurch der Horizont beim Interpretieren merklich erweitert. Ich sehe den Notentext anders seit ich komponiere, nämlich auch durch die Brille eines Komponisten. Als Komponist weiss man, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, eine Stelle niederzuschreiben. In der Tat ist man ständig zwischen sehr vielen Möglichkeiten am entscheiden. Es ist für mich beim Interpretieren zwar interessant zu sehen, wie ein Komponist etwas niedergeschrieben hat. Aber viel wichtiger ist für mich die Frage: Was wollte er als Klangresultat? Und dazu muss man manchmal den Text eben nicht gar zu orthodox lesen, sondern gewissermassen zwischen den Zeilen um zu verstehen, welche Entscheidungen er getroffen hat und warum. So gesehen erlaubt ein Notentext oft viele Lese-Möglichkeiten. Allzuoft erlebe ich aber, dass Musiker etwa über bestimmte Bogenstriche diskutieren (“es steht doch so drin!”). Für einen Komponisten ist es jedoch nur wichtig, dass etwas gut klingt. War er bsp. ein Pianist, so wird er oft Phrasierungsbögen schreiben, die man sicher nicht immer als Bogenstriche interpretieren darf.

Weitere Vorteile kommen hinzu: Man sieht, wie schwer es ist, ein gutes Werk zu schreiben und hat mehr Respekt vor jedem Komponisten. Und man analysiert Musik mit mehr Kompetenz und merkt hier und da auch bei grossen Komponisten, dass bei ihnen die Inspiration nicht immer gleich gut war. Um jedoch von allen “Benefits” des Komponierens zu profitieren, ermuntere ich jeden Musiker, selbst zu komponieren, denn es ist ein sicherer Weg, um mehr über Musik zu lernen.

Grosse Musik stammt aus der Feder komponierender Musiker

Ein anderer Punkt ist der, dass meiner Meinung nach heutzutage zu viele Komponisten nur komponieren und selber vielleicht nicht mal ein Instrument beherrschen mindestens aber nicht konzertieren und auf der anderen Seite viele Musiker zwar supergut spielen, aber nie etwas selber schreiben. Mir scheint, dass das eine nicht ohne das andere geht. Nehmen wir jeden grossen Komponisten der Vergangenheit: Brahms, Bach, Beethoven, Liszt, Chopin, Boccherini, Paganini etc. Sie waren nicht nur grosse Komponisten, sondern auch grosse Interpreten. Weil sie ihre Werke selber im Konzert aufführten, hatten sie sehr hohe Qualitätsansprüche an ihr kompositorisches Schaffen, bestimmt nicht zuletzt, weil sie sich nicht blamieren wollten. Im Gegensatz dazu steht die Musik der zeitgenössischen Nicht-Musiker-Komponisten: laut, grob, dissonant und unästhetisch.

Ich wage zu behaupten, dass die wirklich grosse Musik auch heutzutage von den Leuten geschrieben wird, die selber konzertieren. Warum nicht z. B. von dir?

Siehe auch: “Der Do-it-yourself-Musiker

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Warum Cellisten mit Gehörschutz spielen lernen müssen

gehorschutzcello

Das erste Thema, das ich hier besprechen will, ist eines meiner Lieblingsthemen. Glauben Sie mir: Musiker zu sein ist eine Offenbarung. Ich bin es mit Leib und Seele. Aber es ist auch so, dass es sehr laut ist auf einem Konzertpodium. Normalerweise wird ordentlich gekesselt und 130 Dezibel sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Im Sinfonieorchester sowieso und im Orchestergraben erst recht. Aber auch Kammermusik und das eigene Üben sind eine Belastung (jaja, auch ein Cello ist laut, fragen Sie Ihre Nachbaren (an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Nachbarn)). Ich habe mal einen Trompeter sagen gehört, dass er Trompete gar nicht laut finde. Er meinte das wirklich ernst. Vermutlich lacht er sich kaputt, wenn er hier liest, dass ein Cello laut ist, denn wenn er spielt, hört er wohl vom Cello gar nichts mehr. Ich schätze Trompete sehr, aber wer wie ich öfter mal eine ganze Vorstellung vor einer Trompete gesessen hat, der weiss, dass das ein sehr lautes Ding ist. Dies nur am Rande.

Wir sind heutzutage in der sehr glücklichen Situation, dass das Thema Gehörschutz und Gehörschäden nicht mehr totgeschwiegen wird. (Sogar unser Orchesterbüro hat uns im letzten Lohnbrief zum Tragen des Gehörschutzes aufgefordert.) Auch existieren mittlerweile sehr gute Gehörschütze der Marke Elacin. Jeder junge Berufsmusiker und auch Amateurmusiker sollte lernen, damit zu spielen. Ich spiele im Graben meist mit dem 25er-Filter. Das heisst der Lärm wird um 25 Dezibel reduziert. Im Sinfoniekonzert nehme ich normalerweise den 15er-Filter. Fangen Sie früh mit Gehörschutz an. Wenn Sie nämlich erst später in der Karriere beginnen, dann können Sie vermutlich die 15er und 25er-Filter vergessen und müssen mit dem 9er Vorlieb nehmen, da Sie sonst nicht genug gut hören. Den totalen Frieden im Graben hat man aber nur mit dem 25er :-)

Auch allein üben ist nicht leise! Üben tue ich je nach Stück und Lautstärke mit dem 15er- oder 25er-Filter, gelegentlich selbstverständlich auch ohne Gehörschutz um den Klang besser zu beurteilen und auch immer wieder mit Hoteldämpfer. Ich habe nicht das Gefühl, dass mein Klang darunter gelitten hat. Im Gegenteil ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, zu Hause mit dem Gehörschutz zu üben, damit man im Ernstfall daran gewöhnt ist. Wir würden ja auch nicht zu Hause eine schwierige Stelle mit einem Fingersatz üben und im Konzert dann einen völlig anderen verwenden, oder? Das wäre ungefähr das Gleiche. Der Klang eines Musikers leidet vor allem dann, wenn er nicht übt. Gehörschutz schadet da eher weniger.

In einem Solo-Konzert oder einem Kammermusik-Konzert spiele ich normalerweise ohne Gehörschutz. Doch sollte man die Lautstärken auch da nicht unterschätzen und in den Proben schrecke ich auch nicht davor zurück, ihn zu verwenden (insbesondere Klaviertrio ist für Cellisten laut – der Flügel hämmert nur ein paar Zentimeter hinter einem) und zudem sind die Probenräume oft sehr klein.

Im Orchester nehme ich für ein Solo den Gehörschutz sowieso raus. Auch gibt es manchmal sehr leise oder sehr heikle Stellen, in denen ich ohne Gehörschutz wohler bin.

Es ist mit Sicherheit etwas schwieriger, mit Gehörschutz zu spielen. Ich musste mir gewisse Tricks angewöhnen, um die Töne immer sauber zu treffen. Ich berühre zum Beispiel beim Spielen oft mit dem Schädel leicht einen der Wirbel oder mit dem Kiefer den Cellohals. Über meinen Körper höre ich mich so selber besser. Das andere Wichtige ist: Gute Fingersätze haben. Aber das ist auch ohne Gehörschutz wichtig und wäre für sich ein interessantes Thema für einen anderen Artikel.

Warum sollte also ein Musiker mit Gehörschutz spielen lernen: Weil es ganz klar ist, dass ein Musiker ohne Gehörschutz früher oder später ein irreversibles Gehör-Problem kriegen wird. Die Lautstärken sind vergleichbar mit denen an einem Rock-Konzert. Die ständige Exposition von tausenden von Stunden pro Jahr gibt den Ohren dann noch den Rest. Und wenn der Schaden mal da ist, dann wird es bestimmt schwierig werden, sicher und präzis zu musizieren. Der Gehörschutz ist da also das geringere Übel.

Als Cellist sollte man meiner Meinung nach auf die optionale Kordel, die in den Elacin-Gehörschutz eingebaut werden kann, verzichten. Ich habe es probiert und mich hat gestört, dass die Kordel während dem Spielen ständig die Schnecke streift, was man in den eigenen Ohren sehr gut hören kann.

Mein Eindruck ist, dass viele Musiker eine Abneigung gegen den Gehörschutz haben, weil sie keinen guten Gehörschutz haben. Glauben Sie mir: diese gelben, billigen Schaumstoff-Oropax sind gut fürs Heimwerken, aber nicht fürs Musikmachen. Ein guter Gehörschutz muss den Klang eins-zu-eins wiedergeben (also eine lineare Dämpfung über alle Frequenzen haben) und muss so konzipiert sein, dass man das eigene Blut nicht rauschen hört. Alles andere ist in meinen Ohren unbrauchbar. Der oben genannte Gehörschutz (Elacin) erfüllt diese Anforderungen.

Ein letztes Wort: der Applaus ist auch nicht leise. Wenn man schon das ganze Konzert mit Gehörschutz gespielt hat, kann man die Stöpsel auch noch für den Beifall drin lassen.