Datum: | 12.10.2011 |
Medium: | Bergsträsser Anzeiger |
Titel: | Ein Kammermusik-Abend voller Kontraste |
Original: | Ja |
12. Oktober 2011 | Von Karin Pfeifer
Ein Kammermusik-Abend voller Kontraste
Kunstfreunde Bensheim: Viel Beifall für drei Cellisten und einen Pianisten im Parktheater
BENSHEIM. Die Kunstfreunde Bensheim überraschen in jüngster Zeit bei ihren Konzerten durch ungewöhnliche Besetzungen und seltene Programme. Auch das jüngste Konzert verdeutlichte diese Absicht. Ein Konzert mit drei Cellisten in Verbindung mit einem Pianisten wird sicher nicht sehr oft angeboten. Im Bensheimer Parktheater musizierten Mattia Zappa, Sebastian Diezig und Yoel Cantori (Violoncello) sowie Massimiliano Mainolfi (Klavier).
Da es für diese Besetzung fast keine Literatur gibt, sind Bearbeitungen zwingend notwendig. Mattia Zappa erwies sich hierbei als sehr geschickt. So erklang zu Beginn die Gambensonate Nr. 2 BWV 1028 von Johann Sebastian Bach in seiner Fassung für drei Celli. Die Gambe selbst ist bereits seit der Wiener Klassik aus dem Konzertsaal verschwunden. Allerdings werden die drei Originalsonaten, die zwischen 1717 und 1723 entstanden sind, auf Viola oder wie hier auf das Cello übertragen. Bei dieser Aufführung wurden zudem die Ober- und die Unterstimme des Cembalos den beiden anderen Celli zugeordnet. Da hier die Akkorde der Cembalostimme fehlten, wurde die lineare Stimmführung besonders hervorgehoben. Zudem entstand durch die durchsichtige schlanke Tonführung eine Wiedergabe von ganz eigenem Reiz.
Krasser Stilwandel
Joseph Haydn hat für seinen Arbeitgeber Fürst Esterházy, ein leidenschaftlicher Baryton-Spieler, zahlreiche Trios und Divertimenti geschrieben. Auch dieses Instrument mit seinen sechs Saiten und den 20 mitschwingenden Resonanzsaiten ist in der folgenden Zeit aus der Literatur verschwunden.
Aber bereits zu Haydns Zeit wurde das Divertimento D-Dur alternativ mit drei Violoncelli besetzt. Auch die Wiedergabe dieser leicht eingängigen Musik bevorzugte das schlanke Klangbild, bei dem die einzelnen Stimmen gut miteinander korrespondierten.
Mit Astor Piazzolas “Grand Tango” erfolgte zum Abschluss des ersten Programmteils ein krasser Stilwandel. Mattia Zappa spielte diesen konzertanten Tango leidenschaftlich zupackend mit grossem Ton und ausdrucksvollem Vibrato. Temperamentvol wurde er von Massimiliano Mainolfi am Klavier unterstützt.
Der zweite Teil dieses Kammermusikabends begann mit einem 2007 komponierten Werk für Violoncello solo von Giovanni Sollima. “La Folia” greift die barocke Form einer ständig wiederholten Bassmelodie auf, über der sich Variationen entwickeln. Aus spieltechnischen Gründen mussten hierbei die beiden tiefen Saiten oktaviert auf den Ton G eingestimmt werden. Darüber entwickelten sich Variationen ganz unterschiedlichen Charakters. Sebastian Diezig meisterte die Vielzahl an technischen Schwierigkeiten voller Bravour und glänzte mit eindrucksvoller Gestaltung.
1915 ist die Cellosonate von Claude Debussy entstanden. Auch hier erwies sich Zappa als sehr wandlungsfähiger Interpret. Sein Spiel kostete den Farbenreichtum dieses Werks voll aus. Der häufig episodenhafte Aufbau mit seinen vielen stimmungsmässigen Kontrasten wurde im guten Zusammenspiel mit dem Pianisten überzeugend dargestellt.
Aufbäumen gegen das Schicksal
Die beiden Musiker spielten anschliessend “Malinconia” von Jean Sibelius. Hier verarbeitet der Komponist den Tod seiner geliebten Tochter Kirsti. Die tiefe Trauer überträgt er hierbei auf die Bevorzugung der tiefen Lage des Cellos und dessen melancholische Melodik. Den reich gestalteten Klaviersatz könnte man vor allem in den Läufen und Arpeggien kurz vor dem verklingenden Schluss als Aufbäumen gegen das Schicksal deuten.
Versöhnlichen Wohlklang strahlt dagegen das Requiem op. 66 für drei Celli und Klavier von David Popper aus. Auch bei diesem 1891 in London uraufgeführten Werk für einen verstorbenen Freund geht es um Trauer und Wehmut, aber auch im Trost durch die Musik.
Nach diesem besinnlichen Abschluss des auf Kontrast ausgerichteten Programms gab es viel Beifall, der mit zwei ganz unterschiedlichen Zugaben belohnt wurde: Auf den Anfang von Verdis “La Traviata” folgte ein zarter Bach-Satz, mit dem der Kreis zum Konzertbeginn wieder geschlossen wurde. Karin Pfeifer