Liebe Cello-Fans,
Heute stelle ich euch mein neustes Unterfangen vor, welches sich voraussichtlich über die nächsten 2-3 Jahre erstrecken wird: Die Video-Gesamteinspielung aller 12 Capricen op. 25 von Alfredo Piatti. Es wird voraussichtlich so lange dauern, weil ich die Stücke mit Ausnahme der Caprice Nr. 12 noch nicht gelernt habe, jede Caprice schwierig ist und mich meine Orchesterdienste, Kammermusikkonzerte und Soloauftritte auch sehr schön auf Trab halten. Dennoch werdet ihr hoffentlich Freude an den nach und nach auf dieser Seite erscheinenden Videos haben und ab und zu vorbeischauen, um das neuste Video nicht zu verpassen!
Ein kleines Universum
Die Etüdensammlung des grossen italienischen Virtuosen (1822-1901) fasziniert mich durch ihre musikalische Schönheit, die offensichtliche Fantasie und den Humor des Autors, ihre unzähligen interessanten technischen Schwierigkeiten für beide Hände des Cellisten, sowie die formale Vollkommenheit jeder einzelnen Nummer. Auch ist es wie immer bei solchen Zyklen sehr interessant, alle Stücke nacheinander zu hören. Es ist wie eine musikalische Reise durch verschiedene Gemütsverfassungen und Ideen, wobei jeder neue Ort anders und doch dem vorhergehenden ähnlich ist, weil der schöne Klang des Cellos als verbindendes Element immer da ist.
Der Paganini des Cellos
Alfredo Piatti ist in vielerlei Hinsicht der Paganini der Cellowelt und seine Capricen sind deshalb wie nicht anders zu erwarten durchsetzt mit technischen Schwierigkeiten. Das Geniale an Piattis Etüden ist aber, dass technische Schwierigkeiten nicht sein primäres Ziel waren, sondern vielmehr das Mittel zu schöner Musik. Als Cellist weiss man nämlich, dass interessante Polyphonie auf dem Cello technisch meistens komplex ist. Piatti selber war ein herausragender Cellist und dazu ein gewitzter Komponist mit grossem Talent für formvollendete Komposition und Dramatik. Dies befähigte ihn, optimal für sein Instrument komponieren.
Die Caprice Nr. 1
Heute eröffnen wir das Projekt mit der Caprice Nr. 1, welche im Vergleich zu den anderen eine der kürzeren und weniger komplexen ist. Die für den Cellisten offensichtliche Schwierigkeit liegt in der Intonation für die linke Hand (man greift fast ausschliesslich Doppelgriffe) und im schnellen, virtuosen Bogenstrich, welcher wie selbstverständlich funktionieren muss. Zudem muss jede dieser Capricen musikalisch interessant vorgetragen werden, damit man beim Hören nicht an Fingerübungen denkt.
Ich spiele das Stück übrigens nicht an der Spitze des Bogens, weil mir der Klang in der Bogenmitte besser gefällt. Ich erlaube mir diese Freiheit, weil es für mich nicht klar ist, ob die Anweisung “sulla punta d’arco” am Beginn des Stückes von Piatti selber ist oder nicht etwa doch vom Editor meiner Ausgabe (ein gewisser Herr Pierre Fournier, den jüngeren Lesern hoffentlich auch noch ein Begriff).
Viel Spass!
Sebastian Diezig