Seminar zum Thema Disziplin in Regenstauf (D) am 4.11.2019
Dieses Post richtet sich speziell an meine Leser in Deutschland, wo am 4.11.19 in Regenstauf die erste Veranstaltung der Themenreihe “Verlorene Tugenden” stattfinden wird und an der ich sowohl als Gesprächsgast wie auch musizierenderweise dabeisein werde. Das Thema wird die mir wohlvertraute “Disziplin” sein, welche ja auch immer wieder Thema auf meinem Blog war. Durch die Veranstaltung führt Referent Alexander Dewes, Vorsitzender der veranstaltenden Katholischen Erwachsenenbildung Regensburg Land. Das Publikum soll auch miteinbezogen werden und somit verspricht es ein äusserst interessanter Abend zu werden.
Die weiteren Veranstaltungen der Themenreihe Reihe sind übrigens den Begriffen “Gelassenheit”, “Respekt” und “Gottvertrauen” gewidmet und haben als Gäste den systemischen Coach, Meditationslehrer und Trainer für Kampfkunst Dr. Florian Seidl, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis und Weihbischof Dr. Josef Graf.
Musikstücke, die ich im Verlauf des Gesprächsabends präsentieren werde:
Johann Sebastian Bach (1685-1750): Aus der Cellosuite Nr. 1 in G-Dur BWV 1007: I. Präludium, II. Allemande, IV. Sarabande, VI. Gigue
Sebastian Diezig (1983): Blues op. 1 (2007)
Seien Sie dabei, ich freue mich auf Sie!
Herzlich, Ihr Sebastian Diezig
INFORMATIONEN: Datum und Zeit: Montag, 4.11.2019, 19h00
Ort: Bildungshaus Schloss Spindlhof, Spindlhofstraße 23, 93128 Regenstauf Referenten: Alexander Dewes im Gepräch mit Sebastian Diezig, Seit seinen Erfolgen an den internationalen Wettbewerben von Zagreb und Lugano ist der Schweizer Cellist Sebastian Diezig ein gefragter Solist und Kammermusiker. Regelmässig ist er Gast an renommierten Festivals und in angesehenen Konzertreihen. Seit 2010 ist er zudem Stv. Solocellist im Luzerner Sinfonieorchester. Anmeldung: wäre natürlich schön und erwünscht, sofern Sie´s einplanen können – doch gibt es bestimmt noch Plätze an der Abendkasse: Tel. 09402 94 77 25, Mail: info@keb-regensburg-land.de Gebühr: 5,00 € Weitere Infos auf der Homepage des Veranstalters… Veranstalter: KEB Regensburg Land e.V.
In diesem Artikel wende ich mich vor allem an angehende Berufsmusiker aber vermutlich können auch Amateure ein paar der Tipps für ihre Orchesterpraxis nutzen.
Als Orchesterprofi bin ich meistens von anderen Orchesterprofis umgeben und es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kollegen mehr richtig machen als sie falsch machen, da sie in vielen Fällen den Beruf seit vielen Jahren ausüben und sich mit der Zeit kontinuierlich verbessert haben. Ab und zu spielt aber ein unerfahrener Musiker mit, der vielleicht zum ersten Mal in einem Berufsorchester mitspielt und dann sehe ich sofort Dinge, die diese Person besser machen könnte – oft mit sehr wenig Aufwand. In diesem Sinne will ich hier auf ein paar Dinge eingehen.
Rhythmus ernst nehmen: Der korrekte Rhythmus ist im Orchester unverzichtbar wichtig. Es kommt zum Glück selten vor aber ich habe es schon gesehen, dass unerfahrene Orchesterneulinge zwar einen wunderbaren Klang haben aber offensichtlich in Sachen Rhythmus zu wenig streng sind. Das geht im Orchester gar nicht. Man muss alle Stellen rhythmisch zu 100% korrekt und total solide spielen können.
Keine Show veranstalten: Im Orchester wollen die Kollegen nicht hören, wie gut du die Piatti-Capricen drauf hast. Konzentriere dich wenn du im Orchester bist auf die Stücke, die im Moment im Orchester auf dem Programm stehen. Zu Hause kannst du dann alles üben, was du willst.
Nicht reden: Während der Probe und während dem Konzert soll man sich auf seinen Job konzentrieren und nicht ständig mit dem Pultnachbarn reden. Es stört nicht nur die Kollegen sondern man verpasst auch selber sehr viele Infos, die der Dirigent verkündet, während das Orchester gerade nicht spielt. Vor und nach der Probe sowie in der Pause ist hingegen der ideale Moment fürs Socialising und den sollte man nutzen.
Nicht der letzte sein, wenn der Dirigent abwinkt: Es ist eine unnütze Angewohnheit, in der Probe noch ein paar Takte weiterzuspielen, wenn der Dirigent schon längst das Orchester angehalten hat. Einerseits ärgert es den Dirigenten und die Kollegen, andererseits kann man dadurch wichtige Ansagen verpassen, weil man noch nicht aufnahmebereit ist. Auch verschwendet man wertvolle Probenzeit, welche in Berufsorchestern meistens sehr knapp bemessen ist. Und letztlich ist es ein unökonomischer Umgang mit den eigenen Kräften – bei den vielen Stunden, welche man täglich im Orchester arbeitet, ist jede solche überflüssige Anstrengung ein Nachteil.
Ab und zu stellen mir Leser eine Frage von allgemeinem Interesse. Ich publiziere sie dann mit meiner Antwort anonymisiert unter der Rubrik Q & A (Question and Answer). Auch Sie können mir Ihre Frage stellen.
Frage:
Ich habe im “hohen Alter” von 31 Jahren mit dem Cello spielen angefangen (love it). Wenn sie noch einmal von vorne beginnen könnten mit dem Erlernen dieses Instrumentes, was würden sie heute anders machen; resp. was ist ihr wichtigster Tipp für eine Anfängerin?
Antwort:
Glückwunsch! Es ist toll, dass Sie Cello spielen.
Ich würde drei Dinge als sehr wichtig bezeichnen.
1. Man braucht eine(n) Cellolehrer(in), den/die man möglichst jede Woche oder vierzehntäglich für 30-40 min sieht. Es muss am Anfang kein berühmter Cellist sein, sondern ein pädagogisch geschickter, der Erfahrung mit Anfängern hat. Er/sie wird Sie Schritt für Schritt mit der Technik des Cellospiels vertraut machen.
2. regelmässiges und systematisches Üben, um die Inputs des Lehrers zu verarbeiten. Am besten jeden Tag 20-30 min.
3. Viel Geduld und Durchhaltewillen, weil es ein weiter Weg ist, der sich über Jahre und sogar Jahrzehnte erstrecken wird.
Ich denke übrigens nicht, dass ein Kind schneller und einfacher lernt als ein Erwachsener. Aber ein Kind stört sich am Anfang nicht daran, dass es eher kratzt als klingt und auch recht falsch noch dazu während ein Erwachsener Cello-Fan wahrscheinlich schon einige gute Cellisten gehört hat und sich daher möglicherweise von der Tatsache, dass es auch nach Monaten oder Jahren noch anfängerhaft klingt, entmutigen lassen könnte. Da muss man Willen, Geduld, Zeit und Ausdauer haben.
Ich würde alles nochmal gleich machen wie ich es tat ausser, dass ich möglicherweise bereits spätestens nach ca. 3-4 Jahren mit Solfège als Zusatzfach begonnen hätte (dort lernt man u.a. Noten und Rhythmen lesen und schreiben). Das ist eine Domäne, die im Cellounterricht nur am Rande unterrichtet werden kann, weil die Zeit fehlt und es nicht das Fachgebiet des Cellolehrers ist. Je besser man aber spielt, desto mehr profitiert man, wenn man gut Noten lesen kann und umgekehrt.
Diesen kurzen Artikel schreibe ich mehr für mich selber als für andere: Man sollte das Metronom beim Üben immer griffbereit haben und es dann auch mindestens einmal pro Tag benützen. Ein stabiles Tempogefühl ist nämlich enorm wichtig im Musikeralltag. Vor allem bildet man dieses Tempogefühl nur in dem man es trainiert und da führt kein Weg am Metronom vorbei. Auch ist ein stabiles Tempogefühl nichts, was man einmal für immer gelernt hat. Wie mit der Intonation muss man täglich dranbleiben.
Oft merkt man erst in der Probe oder schlimmer noch: im Konzert, dass die anderen scheinbar eilen oder schleppen. Sehr gut möglich indes, dass man selber das Problem ist, insbesondere wenn man das Metronom zum letzten Mal vor drei Monaten benützt hat. Meistens ist die Situation im Konzert dann nicht mehr zu retten. Man kann dann nur noch gut auf die Mitmusiker hören und versuchen, sich ihnen anzupassen. Aber das ungute Gefühl, dass man in Sachen Tempo nicht stabil war, bleibt. Man kann es schlicht nicht mit Sicherheit ausschliessen, weil man nicht mit Metronom geübt hat. Und an sich ist dieses Problem völlig unnötig.
Eine gute Faustregel fürs Üben mit Metronom ist die folgende: Wenn man bei einem Stück oder einer Stelle überhaupt keine Lust hat, das Metronom anzuwerfen, dann sollte man unbedingt erst recht mal kontrollieren, ob in Sachen Tempostabilität alles in Ordnung ist und das Metronom zu Rate ziehen. Vermutlich ahnt das Unterbewusstsein nämlich, dass da unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen könnten und will sich davor schützen.
Was ich keinesfalls propagieren möchte ist, nur noch mit Metronom zu üben. Aber einmal pro Tag während ein paar Minuten das gute Teil anzuwerfen schadet nie – im Gegenteil.
Wer diesen Blog verfolgt hat bestimmt schon längst gemerkt, dass ich so ein richtiger Cello-Geek bin, dem nichts ist zu abwegig ist, wenn es denn meine Motivation zum Celloüben zu fördern vermag.
Der heutige Tipp ist in diesem Licht zu sehen und übrigens nicht meine Erfindung.
Als ich nämlich vor über 10 Jahren noch Student war, besuchte ich einen Meisterkurs in Süddeutschland. Einer der Studenten – ein Schweizer – erzählte, wie sein Orchesterstellen-Lehrer zu ihm meinte: “Übe mal mit Stoppuhr – da kommst du auf die Welt! Man übt nämlich viel weniger als man denkt!” Sofort war mein Interesse geweckt. Zurück in der Schweiz grub ich also eine alte Digital-Armbanduhr mit Stoppuhr-Funktion aus und begann damit, täglich abzustoppen, wie viel ich wirklich übe.
Weil ich in solchen Sachen genau bin fing ich an, in der Tabellenkalkulation Buch zu führen, wieviel ich jeden Tag übe. Bis zum heutigen Tag und vermutlich bis an mein Lebensende stoppe ich jeden Tag ab, wieviel ich übe und führe mit diesen Daten in meiner Tabellenkalkulation ein Übetagebuch. Die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoübezeit ist für mich sehr nützlich und interessant und vor allem ist die Differenz zwischen den beiden Zeiten beträchtlich. Würde ich nach der Bruttozeit gehen (wie es wohl die meisten Musiker tun), so hätte ich in meinem bisherigen Spitzenjahr 2007 im Schnitt 4h44min pro Tag geübt. Netto waren es aber “nur” 3h15min. Seitdem ging es mit meinen Übezeiten bergab. 2014 übte ich netto noch 1h18min pro Tag (brutto 1h46min). 2015 versuche ich wieder ein wenig mehr zu üben. Aber der Orchesterjob mit den fast 300 Diensten pro Jahr macht meinen Rücken, meine Arme, meine Hände sowie den Kopf müde und ich kann nicht mehr wie während dem Studium in solchen rauen Mengen üben. Immerhin bin ich mit den Jahren aber effizienter geworden – die andere wichtige Grösse in der Welt des Celloübens.
Wenn ich Cello übe so weiss ich, dass es einfacher ist, schon zu Beginn möglichst alles richtig zu erlernen anstatt im Nachhinein bereits einstudierte Fehler wieder auszutreiben. Insbesondere bei den folgenden vier Kriterien kann man objektiv richtig oder falsch spielen, weswegen sie die Grundlage des guten Cellospiels sind.
Bei jeder Arbeitssession an einem Stück oder einer Stelle sollte man auf folgendes achten:
1. Korrekter Rhythmus
Rhythmus ist die Basis jeder Musik. Als erstes sollte man daher darauf achten, dass man die Rhythmen richtig wiedergeben kann, nötigenfalls deutlich unter dem finalen Tempo. Nebst genauem Lesen der Notenwerte lohnt es sich auch oft, ein Metronom beizuziehen und/oder die Musik ohne Instrument zu singen, weil man sich so ganz auf den Rhythmus konzentrieren kann und nicht noch zeitgleich Probleme mit Bogenstrichen und Fingersätzen hat. Stehen Anweisungen wie “Rallentando”, “Ritenuto”, oder “accellerando” über gewissen Stellen, so sollte man das auch beachten und umsetzen.
2. Richtige Tonhöhen / einwandfreie Intonation
Nimm dir die Zeit, die zu spielenden Noten richtig zu entziffern. Suche dann einen Fingersatz, der sowohl schön klingt als auch ein intonatorisch einwandfreies Spielen ermöglicht. Achte immer auf eine einwandfreie Intonation. Spielt man unsauber, macht man Rückschritte, weil die hochpräzise Feinmotorik vernachlässigt wird und sich darüberhinaus mittelfristig auch das eigene Gehör zurückbildet und ungenaue Intonation zu akzeptieren beginnt.
3. Schöner Klang
Suche stets nach einem Klang, der zur Musik, die du spielst passt. Spiele zum Üben auch viel ohne Vibrato, um eine gute Bogenführung zu erreichen und den Bogenklang zu pflegen. Wenn eine Stelle ohne Vibrato schön klingt, dann ist das Vibrato dann das gewisse Etwas, das den Klang veredeln wird. Ist der Bogenklang schlecht, so wird man auch mit vielseitigstem Vibrato nie perfekt klingen. Versuche auch unnötige Nebengeräusche zu vermeiden (Pfeiftöne&Kratzen, ungewolltes Berühren der Nebensaiten etc.) und beachte ausserdem die Dynamiken (pp, p, mp, mf, f, ff) sowie Anweisungen wie s.v. (senza vibrato) oder espr. (espressivo) und Ähnliche.
4. Gesunde Haltung am Instrument
Cellospielen ist eine langfristige Angelegenheit und die meisten Menschen wollen es ihr Leben lang tun. Daher ist es wichtig, immer eine gute und gesunde Haltung am Cello anzustreben.
Beim Musizieren im Orchester ist es sehr leicht, viele kleine Flüchtigkeitsfehler anzuhäufen. Dies ist so, weil man selten ausreichend Zeit hat, richtig gründlich an den gespielten Stücken zu üben und sie folglich nicht auswendig kann. Man ist deswegen sehr stark von den eigenen Lesefähigkeiten, den musikalischen Reflexen und der guten Beherrschung des Instrumentes abhängig. Auch auf die Kammermusik kann dies indes zutreffen, da auch dort oft sehr effizient mit der knapp zur Verfügung stehenden Zeit umgegangen werden muss. Warum ist es nun aber so, dass es Musiker gibt, die pro Seite oft 1-2 Fehler machen (was ziemlich viel ist) und andere, welche im ganzen Konzert auf höchstens 2 kommen?
Konzentration Weil sich letztere richtig gut konzentrieren können. Wenn sie das Podium betreten, schalten sie alle anderen Gedanken ab und denken an gar nichts mehr sondern lenken ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Aufgabe. Der Spruch: “Wenn du denkst, dass du denkst, dann denkst du nur, dass du denkst” trifft den Nagel auf den Kopf. Musik spielen hat mit denken nichts zu tun – wohl aber mit absoluter Konzentration. Und die ist lernbar. Vor allem muss man sie aber gezielt herbeiführen.
“Probenhygiene” oder sich nicht ablenken lassen In einer Probe ständig unnötige und musikfremde Themen mit dem Pultnachbaren zu besprechen oder zu witzeln, lenkt die Gedanken von der eigentlichen Aufgabe ab. Wird die Musik vom Dirigenten angehalten ist es für mich besser, die Noten vor mir zu studieren und dem Dirigenten zuzuhören.
Andere Ablenkung in Probensituationen: Oft bewegt sich etwas im Zuschauerraum. Sei es ein Manager, der da mal eben in die Probe reinschneit oder ein Bühnentechniker, der seine Arbeit verrichtet und plötzlich im peripheren Blickfeld auftaucht. Das kann sehr ablenken. Dennoch sollte die Aufmerksamkeit stets den Noten und der Musik gelten.
“Konzerthygiene” Auch während einem Konzert oder einer Opernaufführung ist es besonders leicht, sich ablenken zu lassen, indem man etwa oft ins Publikum schielt, um zu sehen, wer da so sitzt oder während der Oper auf die Bühne, um etwas von der Handlung mitzukriegen. Prompt verzählt man sich oder vergisst ein Vorzeichen. Es kann auch sehr ablenken, wenn jemand im Publikum mit Blitz fotografiert oder sich jemand mit einem Fächer Luft zuwedelt. Auch wenn man solche Situationen nicht ändern kann, kann man sich bemühen, trotzdem die ganze Aufmerksamkeit auf die Musik zu lenken.
Zum Thema Mitmusiker Mit gewissen Musikern spielt es sich leichter als mit anderen, das ist für mich klar. Es gibt z. B. Musiker, mit denen es leicht ist, weil sie sehr aufmerksam sind und kaum Fehler machen und überdies gut vorbereitet sind. Mit anderen ist schwieriger, weil sie (zwar ohne Absicht) mit bestimmten Bewegungsabläufen, welche gerne ein bisschen zu früh oder zu spät sind, einen unerfahrenen Musiker recht erfolgreich stören können. Oder aber sie spielen gerne mal ein Haar zu früh, mal eine Spur zu spät. Oder sie haben eine schlechte Intonation. Das muss man sehr schnell erkennen und dann gezielt ausblenden, um sich auf andere Impulse von anderen massgebenden Stellen zu konzentrieren (eigene Konzentration, Dirigent (wenn er gut ist), eigener Stimmführer oder erste Pulte anderer Register, eigenes Gehör, die Erfahrung für das orchesterspezifische Timing etc.)
Private Sorgen… …muss man sich beim Betreten des Konzertpodiums oder des Orchestergrabens für später aufheben.
Eine gute Frage! Ich denke: So viel wie möglich, mit Betonung auf “möglich”. Denn es macht wirklich keinen Sinn, Schmerzen in der Hand oder sonstwo herbeizuführen.
Daher: Nie über die Schmerzgrenze hinaus üben
Schmerzen sind immer ein schlechtes Zeichen. Wenn man mehrere Tage in Folge die Schmerzgrenze ignoriert, dann kann es sein, dass man wegen einer Entzündung oder einer Ziste usw. wochen- oder gar monatelang pausieren muss. Einerseits sollte man also beim Üben auf die Ergonomie achten (guter Stuhl, angenehme Notenständerhöhe, gute Haltung am Cello, keine überflüssigen Bewegungen usw.) aber auch, dass man jeweils nach spätestens 45 Minuten eine Pause einlegt und versucht, beim Spielen möglichst locker zu bleiben. Wenn eine Stelle besonders anstrengend ist, dann versteht es sich von selber, dass man nicht zu lange daran üben sollte. Sobald die Hand oder der Arm oder die Schulter müde werden, ist eine Pause angesagt oder mindestens eine andere Übung, die den Körper anders oder weniger belastet. besonders gefährlich sind Doppelgriffe, Streckungen der linken Hand und Oktaven. Da muss man vorsichtig sein. Und bitte nicht naiv sein: Wenn man täglich zusammengezählt sechs bis acht Stunden Cello spielt, dann kommen Schmerzen in der rechten Hand sicher nicht vom Benützen der Computermaus und Schmerzen in der Schulter kaum vom Tragen des Cellokoffers.
Es dürfte allen bekannt sein, dass es nichts bringt, heute 7 Stunden zu üben und dann für den Rest der Woche gar nicht mehr. Hingegen ist es sehr sinnvoll während 7 Tagen, täglich 1 Stunde zu üben. Nach einer Woche ist das in der Summe zwar die gleiche Dauer, aber die Wirkung könnte unterschiedlicher kaum sein. Im Gehirn müssen sich die Synapsen richtig verlöten und das braucht regelmässige Lernimpulse über einen längeren Zeitraum hinweg.
Das ist abhängig von deiner Situation. Als Kind habe ich täglich ca. eine halbe Stunde bis eine Stunde geübt. Als ich 16 Jahre alt war und entschieden habe, dass ich Berufsmusiker werden will, übte ich mehr und kam neben der Schule zu dem Zeitpunkt auf ca. anderthalb bis drei Stunden pro Tag. Während meinem Studium in Basel habe ich dann täglich drei bis fünf Stunden geübt. Heutzutage übe ich “so viel wie möglich”. D. h., dass ich jeden Tag versuche, so viel Zeit wie möglich fürs Üben freizuschaufeln. Manchmal sind das 15 Minuten, meistens eine bis zwei Stunden und an freieren Tagen drei bis vier Stunden. Wichtig ist wie oben erwähnt, schmerzfrei zu üben. Wenn ich beispielsweise bereits zwei Orchesterdienste und eine Kammermusikprobe an einem Tag hatte, dann übe ich zwischendurch zusammengezählt vielleicht höchstens 30 Minuten, da ich sonst ein “Übertraining” (Verletzungen) riskiere.
Wichtig ist auch das “richtige” Üben.
Wie in diesem Artikel beschrieben, ist auch die Qualität des Übens wichtig. Der Kopf muss immer eingeschaltet sein und ich stelle mir immer wieder die Frage, wie ich eine Stelle am schnellsten und effizientesten ins Gehirn programmiere: Soll ich das Metronom einschalten? Muss ich zuerst den Rhythmus ohne Instrument lernen? Habe ich alle Tonhöhen richtig erkannt? Gibt es besondere Dynamiken? Muss ich langsam üben? Wie will ich diese Stelle phrasieren? Ist es für heute genug mit dieser Passage und übe ich jetzt besser an etwas anderem und sehe, ob ich morgen weiterkomme? Soll ich mich aufnehmen um das Ganze unabhängiger beurteilen zu können? Solche und andere Fragen sind wichtig, denn das Übelste ist, eine halbe Stunde an einer Stelle zu üben und erst dann zu merken, dass man die Stelle immer mit einem Fehler geübt hat. Fehler sind nämlich schwierig wieder auszutreiben und kosten Zeit, die man anderweitig besser nutzen könnte.
Das Üben eines Instrumentes erfordert viel Selbstdisziplin. Spitzenleistungen sind nur nach jahrzehntelangen täglichen Übemarathons möglich. Immerhin hat man als Kind und in der Jugend einen Lehrer, der jede Woche die Fortschritte prüft, was für einige motivierend genug ist. Zusätzlich hat man hoffentlich Eltern, die auch ein bisschen schauen, dass geübt wird und idealerweise (so war es bei mir) in die Cellostunde mitkommen kommen und schauen, dass ich zu Hause das übe, was der Lehrer von mir verlangt.
Aber nach dem Studium ist man auf sich allein gestellt. Übt man nicht mehr genug, so fällt man zurück. Für mich ist genug zu üben der schwierigste Teil des Berufes. Hier ein paar meiner Tipps, die helfen können, genug zu üben.
1. Nicht im Computerzimmer üben: Das Internet ist ein Segen, kann aber auch enorm viel Zeit wegfressen. Ich übe besser in einem Zimmer, in dem kein Computer mit Internetanschluss steht. Das Laptop sollte auch raus.
2. Timer stellen: Ich übe am besten, wenn ich in 45-Minuten-Zeitabschnitten übe. Dazu stelle ich auf dem Handy einen Countdown auf 45 min und mache erst 15 min Pause (auch mit Countdown), wenn die Zeit abgelaufen ist. Wenn die 15 min Pause abgelaufen sind, stelle ich den Countdown wieder auf 45 min und übe weiter.
3. Sich selber aufnehmen als Mittel gegen Zerstreutheit: Oft gehen einem aber hundert andere Sachen durch den Kopf. In solchen Fällen ist es für mich das beste, eine spontane Aufnahme des Stückes, an dem ich grad übe zu machen. Beim anschliessenden Abhören der Aufnahme sehe ich dann an welchen Stellen ich gezielt arbeiten muss und die Qualität meiner Konzentration und damit der Übe-Session verbessert sich augenblicklich. Ein Studiomikrofon ist ideal, aber auch Laptops und iPhones haben oft brauchbare Mikrofone.
4. Auch kurze Zeitfenster ausnützen: Den ganzen Tag über keine Zeit gefunden zum Üben und jetzt bleiben nur noch 25 min übrig? Mein Tipp: Nütze diese 25 min zum Üben. Natürlich ist es besser, an einem Tag 4 Stunden zu üben. Aber wenn das nicht geht, dann sind auch kleine Zeitfenster besser als gar nichts. Versuche in solchen Fällen noch stärker als sonst nachzudenken, wie du in der gegebenen Zeit am meisten Fortschritte erzielen kannst.
5. Eine möglichst interessante Routine haben: Beim Üben sollte die Langeweile keinen Platz haben. Der Kopf muss immer beschäftigt werden. Ich fange aktuell stets mit ca. 15 min Blattlesen an, weil mir dies Spass macht. Danach kommen 15 min Tonleitern, was mir zwar weniger Spass macht, ich für so kurze Zeit aber ertragen kann. Danach 15 min einer Etüde mit einem technischen Problem, in dem ich mich verbessern will. Schliesslich komme ich zur eigentlichen Arbeit wie Orchestermaterial üben und Literatur, die ich demnächst im Konzert präsentiere. Jeder Mensch ist anders und diese Routine könnte für jemand anderes der Horror sein. Für mich aber funktioniert sie so gut, dass ich mich jeden Tag darüber freue. Der Sinn einer Routine ist nebst der Gewohnheit vor allem das regelmässige sich-mit-gewissen-Dingen-beschäftigen, welches der Motor für Fortschritte ist.
Seit bald 23 Jahren spiele ich Cello und irgendwann ist mir dabei klar geworden, dass Üben weit mehr ist als das tausendfache Repetieren bestimmter Bewegungsabläufe. In diesem Artikel will ich zusammenfassen, was ich bis jetzt über möglichst effektives Celloüben weiss und täglich anwende.
Rechtzeitig mit der Arbeit beginnen
Es bedarf wohl kaum grosser Erwähnung, dass man nicht erst eine Woche vor dem Konzert mit dem Üben eines komplexen Stückes anfangen sollte. Lieber drei Monate vorher.
Zuerst das Material einrichten
Wenn man ein neues Stück zum Üben erhält, ist es sehr wichtig, in einer ersten Etappe die eigene Stimme einzurichten. Das heisst, dass man das ganze Stück von Anfang bis Schluss am Cello ein erstes Mal durchliest und rhythmisch zu verstehen versucht und dabei mit möglichst guten Fingersätzen und Bogenstrichen versieht. Je nach Komplexität des Werkes kann dies 30 Minuten bis drei Tage dauern. Beim Einrichten erhält man ein Bild von den Schwierigkeiten, die einen in den nächsten Wochen oder Monaten erwarten. Diese Etappe ist äusserst wichtig und erleichtert die Arbeit am Stück enorm, da man eine Basis legt, auf der man aufbauen kann. Es ist sehr wahrscheinlich und normal, dass man in den nächsten Wochen noch einige Bogenstriche und Fingersätze ändert, weil man bessere Lösungen findet.
Man sollte unbedingt Aufnahmen vom zu übenden Werk anhören und Videos ansehen, um eine gute Vorstellung zu entwickeln, wie ein Stück gespielt wird. Ich denke nicht, dass dies der Entwicklung der eigenen Interpretation schadet, im Gegenteil. Bei technisch schwierigen Stellen, welche nicht besser werden wollen, kann es sich lohnen, kompetente Kollegen, die das Stück gespielt haben, um ihre Fingersätze zu fragen und diese dann zu prüfen.
Gehirn lernt immer, daher muss man von Anfang an alles richtig machen
Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis. So wie durch regelmässiges Begehen und Befahren einer Route über eine Wiese zuerst ein Trampelpfad, dann ein Weg und schliesslich eine “unbefestigte” Strasse entsteht, geschieht das gleiche im Gehirn, wenn ich zum ersten Mal eine bestimmte Stelle spiele und sie dann immer wieder spiele. Es entsteht ein Weg oder eine Synapse (vermutlich sogar mehrere). Um bei der Analogie zu bleiben: Auf der Wiese würde auch ein Weg entstehen, wenn alle Leute in eine falsche Richtung gehen würden. Natürlich würde das niemand tun, weil man so ja nicht ans richtige Ziel kommt. Beim Cello üben ist es indes genau gleich, bloss ist es da sehr leicht, fehlerhafte Wege zu gehen, zumal an jeder Ecke Schwierigkeiten und Probleme lauern. Wenn man beim Üben einer Stelle immer die gleichen Fehler macht, so werden die auch gelernt und sind später viel schwieriger auszutreiben. Daher muss man von Anfang an auf den richtigen Rhythmus, die richtige Intonation, den schönen Klang, die richtigen Striche und die korrekten Dynamiken und Artikulationen achten. Da dies schwierig ist und man ja schliesslich übt, weil man nicht alles eben mal so vom Blatt perfekt spielen kann, empfiehlt es sich, Stellen sehr langsam zu üben und “in gravierenden Fällen” vor dem Spielen gar ohne Instrument zu lesen, bis der Rhythmus, die Tonhöhen und der Text verstanden sind.
Langsam üben
Man muss dem Gehirn die Möglichkeit geben, das Kommende zu antizipieren, sonst ist man immer zu spät. In einem frühen Stadium ist dies nur in langsamen Tempi möglich. Wenn es in einem langsamen Tempo schliesslich geht, kann man etwas schneller spielen oder kleine Ausschnitte gar im Tempo versuchen. Wenn man ungeduldig ist, besteht die Gefahr, alles zu schnell zu üben, wodurch das Gehirn nicht lernen kann, zu antizipieren. Am besten ist es, ein Metronom auf ein langsames Tempo zu stellen und laufen zu lassen.
So viel wie möglich üben, aber auch so gut wie möglich, Pausen machen
Manchmal höre ich Leute sagen, dass man nicht viel, sondern effektiv üben muss. Wieder andere Leute üben extrem viel, vielleicht aber nicht besonders effektiv. Meine persönliche Meinung und Erfahrung ist, dass man beides gleichzeitig tun muss, nämlich so viel und so effektiv wie möglich zu üben, denn dann sind die besten Resultate zu erwarten. Allerdings muss man vorsichtig sein, dass man sich ob des vielen Übens nicht Verletzungen wie Sehnenscheidenentzündungen oder Rückenprobleme einhandelt. Prinzipiell muss man sofort aufhören zu üben, wenn man Schmerzen verspürt. Insbesondere anstrengende Stellen (z.b. mit Kräfte zehrenden Doppelgriffen oder Streckungen) sollte man nicht zu lange am Stück üben, sonst kann es gefährlich werden. Auch ist es wichtig, nach spätestens 45 Minuten eine 5-15-minütige Pause zu machen. Erstens kann die Konzentration nicht unbeschränkt lange aufrecht erhalten werden und zweitens kann sich der Körper so auch ein bisschen erholen.
Gut übt man generell gesagt dann, wenn die Zeit schnell zu vergehen scheint. Und die Zeit vergeht vor allem dann schnell, wenn man total konzentriert ist und das Gehirn “programmiert”. “Vegetatives” Tonleiternüben mit den Kopf beim Fussballspiel von gestern ist nicht sinnvoll.
Ich versuche beim Üben das Gehirn immer “auf Trab” zu halten. Sobald ich merke, dass ich beim Üben einer Stelle nicht weiterkomme oder die Konzentration verliere, wechsle ich zu einer anderen. Ein bisschen später komme ich wieder darauf zurück und sehe, was ich weiter für die Stelle tun kann und ob etwas von der vorherigen Arbeitsphase hängen geblieben ist. So springe ich zwischen vielen Stellen und Stücken hin und her und habe aus meiner Erfahrung den schnellsten und besten Lerneffekt.
Die Einstellung beim Üben: Probleme lösen!
Ich übe, um Sachen zu lernen, die ich nicht gut kann. Das ist wirklich sehr wichtig, denn es hat keinen Sinn, immer nur die Stellen zu üben, die man schon kann. Daraus folgt, dass ich beim täglichen Üben gewisse Stellen, die mir Probleme machen, mehrmals – dafür nicht allzu lang – bearbeite und auch während dem Üben anderer Stücke immer wieder kurz darauf zurückkomme, um mein Gehirn damit zu beschäftigen. Das geht besonders gut, wenn man die komplizierten Stellen auswendig kann, was übrigens ein weiterer Trick ist, um schwierige Passagen besser zu meistern.
Zur Zeit arbeite ich an drei Cellokonzerten, der Kodaly-Duo-Sonate und an verschiedenen Orchesterwerken so wie einigen anderen berühmten Cello-Passagen, die zur Zeit oder demnächst im LSO gespielt werden. Bei solcher Arbeitslast muss man so effizient wie möglich werden, da sonst die Zeit nicht reicht zumal die Orchesterproben und Konzerte ja täglich ihre Zeit beanspruchen. In allen Werken gibt es sehr schwierige, mittelschwierige und sehr leichte Stellen. Mit den leichten befasse ich mich nicht weiter sobald ich sie korrekt gelesen und eingeübt habe und sicher bin, dass ich sie kann. Die allerschwierigsten aber sind gewissermassen meine täglichen Problemfälle, welche ich immer im Gehirn ständig präsent zu haben versuche und mehrmals täglich beübe sowie auch im Bus oder auf dem Fahrrad zwischendurch mental durchgehe. Die mittelschwierigen erhalten eine Behandlung irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.
Was schief gehen kann wird schief gehen
Oft ertappe ich mich dabei, dass eine schwierige Stelle nicht ganz klappt und mir dann sage, dass es mit der richtigen Konzentration im Konzert klappen wird. In so einem Fall müssen immer alle Alarmglocken klingeln! Denn: Was beim Üben nicht klappt, wird im Konzert-Stress erst recht nicht klappen.
Kein Stress – den Kopf nicht verlieren
Egal wie nah das Konzert ist, man muss immer gewissenhaft und rational üben und nie die Geduld verlieren. Es hat keinen Sinn, eine Woche vor dem Konzert nur noch durchzuspielen (auch wenn man das durchaus von Zeit zu Zeit einen Durchlauf machen muss!). Es ist vor allem dann eine Zeitverschwendung und kontraproduktiv, wenn noch Fehler und Ungenauigkeiten vorhanden sind, da man die dann lernt! Es ist viel besser, immer mit Konzentration und Ruhe die schwierigen Stellen “auseinanderzunehmen” und langsam zu üben, schnelle Stellen unter Tempo und in anderen Rhythmen (punktiert, anderen Gruppierungen usw.) im Gehirn “zu programmieren” und immer an den Details zu feilen. Auch die Intonation kann nie gut genug sein. Prinzipiell sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass noch genügend Zeit bleibt, die man effizient nutzen muss und man das Stück auch nicht nur für das Konzert nächste Woche übt, sondern hoffentlich noch für weitere Auftritte später im Leben.
Sich aufnehmen (Audio, aber auch Video)
Sehr sinnvoll ist es, die Durchläufe aufzunehmen und abzuhören. Es zahlt sich aus, Notizen in die Noten zu machen um später die Stellen, welche problematisch waren (Intonation, Klang, Rhythmus, Tempo, falsche Akzente etc.) effektiv zu verbessern. Oft realisiert man, dass es gar nicht so schlecht war, wie man meinte. Manchmal merkt man aber auch, dass man noch viel Arbeit hat.
Genug schlafen
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich an einem Tag an einer Stelle sehr konzentriert arbeite und am nächsten Tag einen Fortschritt feststelle. Dies ist, weil das Gehirn in der Nacht lernt. Genug Schlaf ist also sehr wichtig.
SEBASTIAN DIEZIG, CELLIST
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